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Bereitstellung von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA)

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Bereitstellung von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) im Fremdfirmenmanagement

Bereitstellung von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) im Fremdfirmenmanagement

In vielen Branchen arbeiten Unternehmen mit Fremdfirmen (Auftragnehmern, AN) zusammen, sei es auf Baustellen, in Industrieanlagen oder bei Wartungsarbeiten. Dabei stellt sich eine zentrale Frage des Arbeitsschutzes: Sollte der Auftraggeber (AG) den Mitarbeitern der Fremdfirma Persönliche Schutzausrüstung (PSA) bereitstellen, oder obliegt dies ausschließlich dem Auftragnehmer als deren Arbeitgeber? Diese Frage berührt nicht nur juristische Verantwortlichkeiten, sondern auch ökonomische Überlegungen und ethische Werte. Insbesondere im deutschen Rechtsraum – geprägt durch Gesetze wie das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und Verordnungen wie die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV) – ist klar zu definieren, wer welche Pflichten im Arbeitsschutz trägt. Gleichzeitig existieren Koordinationspflichten bei gemeinsamer Tätigkeit mehrerer Arbeitgeber (§ 8 ArbSchG) sowie allgemeine Verkehrssicherungspflichten und Fürsorgeprinzipien, die eine Verantwortung des AG für die Sicherheit Dritter in seinem Betrieb nahelegen.

Rechtsrahmen und Verantwortlichkeiten

Rechtliche Rahmen für Arbeitssicherheit

Geklärte Zuständigkeiten und Vorgaben gewährleisten sichere, rechtskonforme Arbeitsbedingungen in sensiblen Bereichen.

Im deutschen Arbeitsschutzrecht ist die Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit grundsätzlich an die Arbeitgeberstellung geknüpft. Jeder Arbeitgeber ist für die Sicherheit seiner eigenen Beschäftigten verantwortlich, auch wenn diese in Betrieben Dritter tätig sind. Dieses Prinzip wird etwa durch § 3 ArbSchG (Grundpflichten des Arbeitgebers) und konkret durch Spezialvorschriften wie die PSA-Benutzungsverordnung untermauert. Gemäß § 2 PSA-BV – die die EU-Richtlinie 89/656/EWG in deutsches Recht umsetzt – hat der Arbeitgeber seinen Beschäftigten erforderliche PSA bereitzustellen, für deren Instandhaltung zu sorgen und die Kosten zu tragen. Diese Pflicht ist eine Ausprägung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 618 BGB i.V.m. § 3 Abs.1 ArbSchG). Im Normalfall stellt also der Auftragnehmer als Arbeitgeber seiner Mitarbeiter die benötigte Schutzausrüstung (etwa Helm, Sicherheitsgeschirr, Schutzkleidung) auf eigene Kosten und Verantwortung bereit.

Dem Auftraggeber kommt dem Wortlaut vieler Gesetze nach zunächst keine direkte Pflicht zu, PSA für fremde Beschäftigte bereitzustellen, da er nicht deren Arbeitgeber ist. Arbeitsschutzgesetze wie das ArbSchG oder das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) adressieren ausdrücklich den Arbeitgeber – hier also den Fremdunternehmer – als den Pflichtigen, Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen, Unterweisungen durchzuführen (§ 12 ArbSchG) und PSA zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung bleibt bei einem Werkvertrag der Auftragnehmer dafür verantwortlich, dass seine Mitarbeiter die Arbeitsschutzvorschriften einhalten. Im Ausgangspunkt “trägt nicht der Inhaber des Betriebes [...] die Verpflichtung zur Durchführung der arbeitsschutzrechtlichen Maßnahmen” für die Fremdarbeiter, sondern deren eigener Arbeitgeber.

Allerdings endet die Betrachtung nicht bei der strikten Aufteilung nach Arbeitgebern. Der Gesetzgeber und die Unfallversicherungsträger haben erkannt, dass bei Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen eine isolierte Verantwortung zu kurz greift. § 8 Abs.1 ArbSchG verpflichtet daher alle Arbeitgeber an einem gemeinsamen Arbeitsplatz zur Zusammenarbeit im Arbeitsschutz. Insbesondere müssen sie sich gegenseitig sowie ihre Beschäftigten über die arbeitsplatzspezifischen Gefahren unterrichten und ihre Schutzmaßnahmen abstimmen. Diese Pflicht zur Koordination wird z.B. in DGUV Vorschrift 1, § 5 Abs.3 konkretisiert: “Bei der Erteilung von Aufträgen an ein Fremdunternehmen hat der den Auftrag erteilende Unternehmer den Fremdunternehmer bei der Gefährdungsbeurteilung bezüglich der betriebsspezifischen Gefahren zu unterstützen.” Außerdem muss der Auftraggeber sicherstellen, dass bei besonders gefährlichen Arbeiten Aufsichtspersonen eingesetzt werden und im Einvernehmen festlegen, wer diese stellt. Zusammenfassend gilt: Die Arbeitsschutzpflichten treffen neben dem AN auch den AG, sobald Fremdfirmen im Betrieb tätig werden.

Ein wesentlicher Aspekt dieser Zusammenarbeitspflicht ist § 8 Abs.2 ArbSchG: Der Betriebsinhaber (AG) muss sich vergewissern, dass die Beschäftigten der Fremdfirma angemessene arbeitsschutzbezogene Anweisungen erhalten haben, bevor sie in seinem Betrieb tätig werden. Praktisch bedeutet dies, der AG soll prüfen (z.B. durch Sichtung von Unterweisungsnachweisen oder Rückfragen beim AN), ob die Fremdfirmen-Mitarbeiter über alle Gefahren und Schutzmaßnahmen – etwa die Pflicht zum Tragen bestimmter PSA – unterwiesen sind. Diese “Vergewisserungspflicht” des AG ist ein Sicherheitsnetz, das verhindern soll, dass Fremdbeschäftigte aufgrund Unkenntnis der lokalen Gefahren zu Schaden kommen. Wichtig ist jedoch: § 8 Abs.2 ArbSchG entbindet den Fremdfirmen-Arbeitgeber nicht von seiner originären Pflicht, für die Unterweisung und Ausstattung seiner Leute zu sorgen. Der AG soll die Unterweisungspflicht des AN nicht selbst durchsetzen, sondern „lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür sorgen“, dass die Besonderheiten des Einsatzortes berücksichtigt und die Fremdbeschäftigten nicht aus Unwissenheit gefährdet werden. In welcher Form der AG dieser Pflicht nachkommt, lässt das Gesetz offen; stichprobenartige Kontrollen oder vorherige Absprache und Bestätigung der Unterweisung durch den Auftragnehmer genügen regelmäßig.

Angesichts dieser Rechtslage wird deutlich, dass die Bereitstellung von PSA durch den Auftraggeber gesetzlich nicht grundsätzlich gefordert ist, solange der Auftragnehmer seiner Ausstattungspflicht nachkommt. Vielmehr muss der Auftraggeber über Koordination, Information und Kontrolle sicherstellen, dass die Fremdfirma die nötigen PSA mitbringt und verwendet. Es gibt jedoch Sondersituationen, in denen das Bereitstellen durch den AG in Betracht kommt: etwa wenn betriebsspezifische PSA benötigt wird, die der Auftragnehmer nicht ohne Weiteres beschaffen kann, oder wenn aus Gründen der Einheitlichkeit und Sicherheit auf dem Werksgelände alle Personen identische Ausrüstung tragen sollen (Beispiel: ein Chemiebetrieb stellt allen Externen eigens geprüfte Atemschutzgeräte oder Warndetektoren zur Verfügung). In solchen Fällen kollidiert das Prinzip der Verantwortlichkeit des AN mit dem Interesse an effektiver Gefahrenabwehr vor Ort. Der Rechtsrahmen bietet hier Ansatzpunkte über Vertrag und Pflichtenübertragung, wie im nächsten Abschnitt erörtert wird.

Pflichtenübertragung und vertragliche Regelungen

Arbeitsschutzpflichten können innerhalb gewisser Grenzen übertragen oder vertraglich zugewiesen werden. Innerbetrieblich regelt § 13 ArbSchG, dass der Arbeitgeber zuverlässigen und fachkundigen Personen Pflichten übertragen darf – er bleibt allerdings in der Verantwortung, die Auswahl sorgfältig zu treffen. Übertragen auf das Zusammenspiel von AG und AN bedeutet dies: Der Auftraggeber kann Aufgaben der Aufsicht und Koordination einer Person zuweisen (etwa einem Sicherheits- oder Fremdfirmenkoordinator), die dann berechtigt ist, den Fremdfirmenmitarbeitern gegenüber Weisungen zum Arbeitsschutz zu erteilen. Solche Koordinatoren werden häufig in Werkverträgen ausdrücklich benannt und besitzen aufgrund des Hausrechts des AG die Befugnis, bei Verstößen Arbeiten zu unterbrechen oder Fremdpersonen des Geländes zu verweisen. Die Bestellung eines Koordinators erfolgt idealerweise im Einvernehmen zwischen AG und AN. Dies dient dazu, klare Verantwortlichkeiten zu schaffen, ohne das Weisungsrecht des AN gegenüber seinen Arbeitnehmern völlig auszuschalten.

Doch wie verhält es sich mit der Übertragung der Pflicht zur PSA-Bereitstellung? Hier ist Vorsicht geboten: Grundsätzlich darf der AG durch vertragliche Vereinbarungen dem AN zusätzliche Pflichten auferlegen, etwa in einer Arbeitsschutzvereinbarung zum Werkvertrag festlegen, dass der AN alle vorgeschriebene PSA in ausreichender Anzahl und Qualität stellt. Diese Praxis ist üblich und wird in vielen Fremdfirmenrichtlinien großer Unternehmen so gehandhabt. Umgekehrt könnte der AG anbieten, bestimmte PSA bereitzustellen – dann sollte vertraglich geregelt werden, welche Aufgaben jeweils übernommen werden (Beschaffung, Wartung, Prüfung, Unterweisung). Denn nach der PSA-BV ist derjenige Arbeitgeber verantwortlich, der die PSA zur Verfügung stellt, inklusive Instandhaltung und Kostentragung. Gibt also der Auftraggeber z.B. Sicherheitsgeschirre oder Filtermasken an Fremdmitarbeiter aus, so übernimmt er damit faktisch die Rolle des Ausrüsters und muss die Ausrüstung auf ihre Tauglichkeit geprüft, gewartet und dokumentiert haben. Erfolgt dies ohne klare Absprachen, gerät der AG in eine Grauzone, in der ihm im Schadensfall vorgeworfen werden könnte, er habe freiwillig Pflichten des AN übernommen und diese vielleicht nicht ausreichend erfüllt.

Experten raten daher, beim Überlassen von Arbeitsmitteln oder PSA an Fremdfirmen stets für rechtssichere Dokumentation und Vereinbarungen zu sorgen. In der Praxis werden oft Ausgabe-/Überlassungsformulare genutzt (z.B. eine „PSA-Ausleihequittung“), in denen der Erhalt der PSA durch den Fremdmitarbeiter bestätigt wird und Hinweise zur richtigen Benutzung und Rückgabe festgehalten sind. Außerdem sollte die Fremdfirma zusichern, dass ihre Beschäftigten im Umgang damit unterwiesen sind – oder der AG führt selbst eine Einweisung durch, bevor die Arbeit beginnt. Hier greifen wiederum die Pflichten aus § 8 ArbSchG: In der Gefährdungsbeurteilung und der Auftragsvereinbarung sollten AG und AN festlegen, wer welche Schutzmaßnahmen umsetzt und wer für welche PSA verantwortlich ist. Beispielsweise kann im Anhang des Werkvertrags ein Formular verwendet werden, wie es in der DGUV Information 215-830 vorgeschlagen wird, um Gefährdungen, Schutzmaßnahmen (inkl. PSA), Verantwortliche und Termine gemeinsam festzuhalten. Diese schriftliche Fixierung schützt beide Seiten: Den AN, indem klar ist, welche Unterstützung er vom AG bekommt, und den AG, indem klar ist, dass der AN bestimmte PSA mitbringen muss bzw. übernimmt.

Eine generelle Übertragung der PSA-Pflicht vom AN auf den AG ist gesetzlich nicht vorgesehen. Sie kann jedoch in Einzelfällen einvernehmlich und situationsbezogen erfolgen, sollte dann aber vertraglich präzise geregelt und dokumentiert werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Letztlich bleibt die Garantenstellung des Auftraggebers für die Sicherheit in seinem Bereich unberührt: erkennt er, dass der AN seinen Pflichten nicht nachkommt (etwa Mitarbeiter ohne erforderliche PSA arbeiten lässt), muss der AG einschreiten – notfalls auch unabhängig von vertraglichen Abreden, um drohenden Schaden abzuwenden.

Verkehrssicherungspflichten des Auftraggebers

Über die speziellen arbeitsschutzrechtlichen Normen hinaus greift das allgemeine Deliktsrecht. Jeder Betreiber einer Anlage oder eines Grundstücks hat eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber Dritten (§§ 823 ff. BGB), d.h. die Verpflichtung, Gefahrenquellen im eigenen Verantwortungsbereich so weit wie zumutbar zu entschärfen oder vor ihnen zu warnen. Fremdfirmenbeschäftigte, die sich berechtigterweise auf dem Werksgelände aufhalten, zählen juristisch zu diesen Dritten. Dadurch entsteht eine Überschneidung: Während der AN primär für den Arbeitsschutz seiner Leute sorgen muss, haftet der AG zivilrechtlich, wenn er gebäudebedingte oder organisatorische Gefahren nicht sichert und dadurch jemand zu Schaden kommt.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Verkehrssicherungspflicht des AG gegenüber Fremdarbeitern begrenzt ist. Typischerweise ist der Unternehmer (AN) verkehrssicherungspflichtig für die Sicherheit der Arbeitsausführung, während der Grundstückseigentümer (AG) nur für gefahrträchtige Zustände seines Geländes oder seiner Anlagen Verantwortung trägt. Das Oberlandesgericht Hamm stellte 2014 klar: Ein AG muss den AN nicht anweisen, Sicherungsmaßnahmen gegen solche Gefahren zu ergreifen, die der AN selbst erkennen und beherrschen kann. Erst wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass der Fremdunternehmer nicht sachkundig oder zuverlässig genug ist, oder wenn der AG Gefahrenquellen kennt, die der AN bei sorgfältiger Arbeit nicht erkennt, muss der AG intensiver eingreifen. In jedem Fall trifft den AG eine allgemeine Überwachungspflicht: Er muss das Geschehen zumindest stichprobenartig kontrollieren und – sobald Zweifel an der Sicherheitspraxis des AN aufkommen – einschreiten.

Ein Beispiel verdeutlicht diese Abgrenzung: Beauftragt ein Unternehmen eine Dachdeckerfirma, so ist die Dachdeckerfirma dafür verantwortlich, dass ihre Beschäftigten mit Absturzsicherungen (PSAgA) arbeiten und die Gefahren eines nicht durchbruchsicheren Daches beurteilen. Versäumt sie dies, liegt ein Versäumnis des AN vor. Der Auftraggeber wiederum muss dafür sorgen, dass das Dach als Teil seiner Anlage ordnungsgemäß gesichert oder gekennzeichnet ist (etwa Skylights abgedeckt, Anschlagpunkte vorhanden) – das sind Gefahren, die aus der Beschaffenheit des Betriebsortes herrühren. Hat der AG besondere Kenntnisse (z.B. dass bestimmte Lichtplatten brüchig sind), muss er den AN deutlich darauf hinweisen. Unterlässt er solche Hinweise und kommt es deshalb zum Unfall, kann er aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder deliktisch haften. In einem realen Fall stürzte ein Wartungsmonteur durch ein fragiles Hallendach neun Meter in die Tiefe. Er verklagte den Betreiber auf Schmerzensgeld mit der Behauptung, nicht ausreichend vor der Gefahr gewarnt worden zu sein. Die Gerichte verneinten letztlich eine Haftung des Auftraggebers, weil der Fremd-Arbeitgeber selbst verantwortlich war und keine konkreten Verletzungen der Koordinations- oder Hinweis­pflicht festgestellt wurden. Gleichwohl zeigt der Fall, dass Verkehrssicherung und Arbeitsschutz eng verwoben sind: Eine gründliche Gefahrenkommunikation im Vorfeld (Ortstermin, gemeinsame Beurteilung) hätte das Risiko reduziert – und genau das fordern ArbSchG § 8 und DGUV-Regeln.

Für die Bereitstellung von PSA bedeutet dies: Gerät ein Fremdmitarbeiter ohne erforderliche PSA in eine offensichtliche Gefahr, könnte man dem AG vorwerfen, er habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem er die Arbeit hat laufen lassen. Umgekehrt wird man nicht fordern, dass der AG von sich aus jedem Fremdarbeiter PSA anzieht – dies bleibt primär Sache des AN. Die juristische Linie ist also: Der AG soll eingreifen, wenn er erkennt, dass Schutzmaßnahmen (etwa PSA-Nutzung) fehlen, obwohl eine Gefahr besteht. Tut er das bewusst nicht, kann eine Garantenstellung mit strafrechtlicher Relevanz entstehen (vgl. § 13 StGB: Begehen durch Unterlassen). Verantwortliche des AG könnten dann wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung durch Unterlassen belangt werden, falls ein Unfall passiert. In diesem Sinne ist die ethische Verantwortung, die im nächsten Abschnitt behandelt wird, auch im Recht nicht unbekannt – sie findet Ausdruck in der Pflicht, nicht wegzuschauen, wenn Menschenleben in Gefahr sind.

Gängige betriebliche Praxis

In der Praxis des Fremdfirmenmanagements hat sich ein Standardansatz etabliert: Der Auftragnehmer stellt die PSA für seine Beschäftigten, während der Auftraggeber die Einhaltung kontrolliert und organisatorisch unterstützt. Viele Unternehmen verfügen über schriftliche Fremdfirmenrichtlinien oder -ordnungen, die den Arbeitsschutz für externe Firmen regeln. Darin findet sich nahezu immer der Passus, dass die Fremdfirma verpflichtet ist, ihren Mitarbeitern geeignete PSA bereitzustellen und deren Nutzung sicherzustellen. Zum Beispiel schreibt die Wacker Neuson Group in ihren Arbeitsschutzbestimmungen: “Soweit bei den vorgesehenen Arbeiten PSA vorgeschrieben oder aufgrund der Gefährdungsbeurteilung erforderlich ist, hat der Auftragnehmer diese seinen Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Die Mitarbeiter müssen die PSA bestimmungsgemäß nutzen.”. Ähnlich verlangt die Stahl-Holding-Saar in ihrem Sicherheitsleitfaden, dass jede Fremdfirma ihren Mitarbeitern die erforderliche PSA stellt, wobei Vorgesetzte für deren Tragen zu sorgen haben. Diese Regelungen stellen klar, dass aus Sicht der Auftraggeber die Beschaffung und Grundausstattung Sache des AN ist.

Der Auftraggeber seinerseits legt in solchen Fremdfirmenordnungen oft die Mindestanforderungen an PSA fest: etwa Helmpflicht, Sicherheitsschuhe S3, Warnweste, Schutzbrille in bestimmten Bereichen, Gehörschutz bei Lärm, Absturzsicherung bei Höhenarbeiten etc. Die Fremdfirma muss bestätigen, dass sie diese Anforderungen kennt und erfüllt. Teil der gängigen Praxis ist ferner eine Sicherheitsunterweisung bei Betreten des Werks („Safety Induction“). Dabei werden Fremdfirmenbeschäftigte über die örtlichen Regeln informiert, einschließlich der PSA-Regeln. Es ist nicht unüblich, dass der AG PSA-Kontrollen am Werkstor durchführt (z.B. ob jeder Arbeiter Helm und Schuhe hat). Fehlt etwas, wird entweder der Zutritt verwehrt oder ersatzweise PSA ausgegeben. Manche Unternehmen halten aus diesem Grund einen Pool an Standard-PSA für Besucher und Nachunternehmer bereit (z.B. Leihhelme oder -schutzbrillen in begrenzter Zahl). Dies geschieht eher aus pragmatischen Gründen, um spontane Arbeiten nicht zu verzögern, und nicht als Übernahme der Ausrüstungspflicht auf Dauer. Typischerweise muss die entliehene PSA nach Arbeitsende zurückgegeben werden, und der AN wird angehalten, künftig besser ausgerüstet zu kommen.

Besondere Situationen gibt es in sicherheitssensiblen Bereichen: In Chemieparks, Raffinerien oder Kraftwerken schreibt der Betreiber oft sehr spezifische Schutzausrüstung vor (etwa gasdichte Anzüge, spezielle Atemschutzfilter, Explosionsschutz-Kleidung). Hier werden Fremdfirmen häufig durch den AG ausgestattet, weil nur der Betreiber genau passende und geprüfte Ausrüstung vorrätig hat. Diese PSA-Überlassung wird begleitet von genauer Einweisung und schriftlicher Dokumentation, wer wann was erhalten hat. So wird vermieden, dass ein Fremdarbeiter mit unsicherer oder unpassender PSA tätig wird. Die Betriebssicherheitsverordnung fordert in solchen Fällen auch, dass gemeinsam genutzte Ausrüstung (z.B. ein vom AG gestelltes Gerüst oder Anschlagmittel) von jedem Arbeitgeber auf Sicherheit geprüft sein muss. Deshalb tauschen Auftraggeber und -nehmer vor Arbeitsbeginn häufig die Prüfprotokolle aus (z.B. der AN legt die Prüfbescheinigung seiner Gurte vor, der AG die des Anschlagpunkts). Diese Form der wechselseitigen Kontrolle ist Bestandteil guter Praxis.

Zuletzt sei die Rolle der Dokumentation betont: In der Praxis werden Checklisten, Gefährdungsbeurteilungen (GBU) und Formulare eingesetzt, um die Abstimmung der Schutzmaßnahmen festzuhalten. Ein Beispiel ist die “Auftragsbezogene Vereinbarung zum Arbeitsschutz” (siehe Anhang, Abb. 1), in der AG und AN gemeinsam alle relevanten Gefahren, Schutzmaßnahmen (inkl. PSA) und Verantwortlichkeiten tabellarisch festhalten. Solche Dokumente, oft auf Basis von DGUV-Empfehlungen erstellt, dienen als Nachweis bei internen Audits oder im Unfallfall, dass man seiner Koordinationspflicht nachgekommen ist. Insgesamt zeigt die gängige Praxis einen präventiven Ansatz: Der AG überprüft und unterstützt – bis hin zum kurzfristigen Bereitstellen von PSA – anstatt sich passiv auf die Pflichten des AN zu verlassen. Dies geschieht auch im eigenen Interesse des AG, wie der nächste Abschnitt erläutert.

Perspektiven der Beteiligten

Aus Sicht der Unternehmen (Auftraggeber) steht beim Fremdfirmeneinsatz ein effizientes und störungsfreies Arbeiten im Vordergrund. Arbeitsschutz wird dabei sowohl als rechtliche Compliance-Aufgabe als auch als Faktor zur Vermeidung von Unfällen und Haftungsfällen gesehen. Viele Auftraggeber argumentieren, dass die klare Aufgabentrennung (AN stellt PSA, AG kontrolliert) notwendig ist, um Verantwortlichkeiten nicht zu verwischen. Würde der AG routinemäßig PSA an Fremdfirmen ausgeben, könnte dies zu Unklarheiten führen: Wer haftet bei Versagen der PSA? Wer trägt die Kosten für Ersatzbeschaffung, Prüfung und Wartung? Aus Unternehmenssicht spricht vieles dafür, den AN hier in der Pflicht zu belassen – zumal dieser die spezifischen Gefährdungen seiner Tätigkeit am besten kennt und entsprechend ausrüsten kann. Einige Unternehmen fürchten auch, dass eine ständige Bereitstellung von PSA an Fremde zu einem Gewohnheitsrecht führen könnte, sodass AN sich gar nicht mehr selbst kümmern und AG letztlich doppelte Ausrüstung (für eigene Leute und Fremde) vorhalten müssten.

Gleichzeitig erkennen verantwortungsbewusste Firmen, dass ein Unfall eines Fremdmitarbeiters auf ihrem Gelände gravierende Folgen haben kann: Arbeitsunfälle bedeuten auch Ausfallzeiten, Behördeneinschaltungen, Ermittlungen durch die Unfallkasse und oft Imageschäden. Der Kostenfaktor eines schweren Unfalls (Produktionsstillstand, Regressforderungen, ggf. Vertragsstrafen) kann betriebswirtschaftlich deutlich höher liegen als die einmalige Bereitstellung eines passenden Absturzsicherungssets oder einer Gasmaske. Daher tendieren sicherheitsorientierte Unternehmen dazu, im Zweifel lieber proaktiv PSA zu stellen, als ein Risiko einzugehen. Ein oft genannter Grund ist auch die Einheitlichkeit der Schutzstandards: Wenn alle Personen dieselbe hochwertige PSA tragen, ist das Schutzniveau verlässlich und sichtbar. Aus Unternehmensperspektive kann dies die Sicherheit und die Effizienz steigern – man denke an ein einheitliches Farbleitsystem von Helmen oder firmenspezifische Sicherheitskleidung, die auch Fremde tragen müssen, um erkennbar zu sein. Zwar muss der AG diese Ausgaben dann tragen oder vertraglich auf den Auftragswert umlegen, doch viele größere Unternehmen betrachten dies als Teil der Gesamtkosten für sichere Auftragsabwicklung. Einige Branchen (z.B. Petrochemie) haben gar den Grundsatz “Unsere Sicherheitsstandards gelten für alle auf dem Gelände – wir stellen sicher, dass sie eingehalten werden (notfalls durch Bereitstellung von Mitteln)”.

Aus Sicht der Auftragnehmer (Fremdfirmen) ist Arbeitsschutz ebenfalls Pflicht, aber in der Realität sehen wir ein heterogenes Bild: Große, professionelle Dienstleister haben eigene PSA-Konzepte und bringen alles Notwendige mit; kleine Subunternehmer hingegen stehen teils unter Kostendruck und neigen dazu, an teurer PSA oder Schulungen zu sparen. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen kritisieren, dass durch die Vergabe an Fremdfirmen das Schutzniveau manchmal absinkt, weil diese Firmen weniger in Sicherheit investieren. Sie fordern daher, dass Auftraggeber bei der Auswahl von Fremdfirmen auf deren Arbeitsschutzstand achten und notfalls Aufträge verweigern, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist. Gewerkschaften argumentieren, der AG dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem er gefährliche Arbeiten “out-sourct”. In der Konsequenz fordern sie starke Kontroll- und Weisungsrechte des AG gegenüber Fremdfirmen, um ein gleiches Schutzniveau für alle Beschäftigten vor Ort sicherzustellen. Manche Arbeitnehmervertreter würden es begrüßen, wenn AG auch PSA stellen, sofern der AN dies versäumt – nach dem Motto: Sicherheit vor Formalien. Allerdings birgt das die Gefahr der Entlastung des AN; daher plädieren Gewerkschaften eher für sorgfältige Vertragspartnerauswahl und gemeinsame Sicherheitskonzepte.

Aufsichtsbehörden und Berufsgenossenschaften vertreten einen klaren Standpunkt: Die Einhaltung der Gesetze hat oberste Priorität. Sie erwarten, dass jeder Arbeitgeber seine Pflichten erfüllt, aber sie nehmen auch den AG in die Pflicht, dies zu überwachen. Bei Kontrollen prüfen die Gewerbeaufsichtsämter z.B., ob der Auftraggeber eine Fremdfirmenunterweisung durchführt, ob Gefährdungsbeurteilungen ausgetauscht wurden und ob im Vertrag Regelungen zur Arbeitssicherheit (inkl. PSA) getroffen sind. Die Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) stellen Informationsmaterial bereit, wie Zusammenarbeit im Arbeitsschutz auszusehen hat. Kommt es zu einem Unfall, untersuchen sie die Umstände: War fehlende PSA eine Ursache, fragen sie nach, warum diese fehlte – und wenn erkennbar war, dass der AN hier Mängel hatte, wieso der AG die Arbeiten nicht stoppte. In Regressfällen kann eine BG versuchen, einen grob fahrlässig handelnden AG haftbar zu machen (z.B. wenn er trotz offensichtlicher Gefahr keine PSA verlangte). Aufsichtsbehörden betonen daher in ihren Verlautbarungen, dass der AG verpflichtet ist einzuschreiten, sobald erkennbare Gefahren oder Unzulänglichkeiten beim AN vorliegen. Für die Bereitstellung von PSA heißt dies: Es bleibt zwar Aufgabe des AN, aber die Behörde würde den AG nicht dafür rügen, wenn er aus Sicherheitsgründen PSA austeilt – wohl aber, wenn er untätig zusieht, wie jemand ungeschützt arbeitet. Letzteres könnte als Verstoß gegen die allgemeine Pflicht aus § 3 ArbSchG (erforderliche Maßnahmen treffen) gewertet werden, die jeden Betriebsverantwortlichen trifft. Entsprechend raten BG-Broschüren zur präventiven Absprache: Klare Regeln, wer welche PSA stellt, im Vorfeld treffen und dokumentieren.

Es bestehen unter den Stakeholdern folgende Tendenzen: Unternehmen (AG) wollen Haftung und Kosten minimieren, tendieren aber pragmatisch dazu, PSA notfalls auch selbst zu stellen, um Unfälle zu verhindern. Fremdfirmen (AN) sind formal voll verantwortlich, doch in der Realität abhängig von den Bedingungen, die der AG setzt (inkl. eventuell gestellter PSA). Arbeitnehmervertretungen pochen darauf, dass kein Arbeiter durch schlechtes Management zu Schaden kommt – zur Not soll der AG mehr Verantwortung übernehmen. Behörden schließlich fordern Kooperation und lassen im Zweifel beide Seiten nicht aus der Pflicht. Diese Vielstimmigkeit spiegelt, dass das Thema nicht trivial ist, sondern eines Ausgleichs rechtlicher, wirtschaftlicher und ethischer Aspekte bedarf.

Wirtschaftliche Überlegungen

Die Frage der PSA-Bereitstellung hat auch eine ökonomische Dimension. Für den Auftraggeber entstehen direkte Kosten, wenn er PSA anschafft und an Fremdfirmen ausgibt: Anschaffungskosten, Lagerhaltung, Prüf- und Wartungskosten, Verwaltung (Ausgabe und Rücknahme) sowie Schulungsaufwand. Diese Kosten sind nicht unerheblich – hochwertige PSAgA (Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz) oder Chemikalienschutzanzüge können pro Stück dreistellige bis vierstellige Eurobeträge kosten, hinzu kommen regelmäßige Prüfintervalle. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird der AG versuchen, diese Kosten zu vermeiden oder weiterzugeben. In Werkverträgen ist daher häufig geregelt, dass PSA im Leistungsumfang des AN enthalten ist, also der Preis den Schutz der Beschäftigten mit abdeckt. Sollte der AG doch spezielle PSA stellen, könnte er dies z.B. über Leihgebühren verrechnen oder als Service bepreisen. Allerdings wird Arbeitsschutz oft als nicht verhandelbar angesehen – es besteht ein implizites Verständnis, dass Sicherheit Vorrang hat vor Kostendruck. Insbesondere Großunternehmen kalkulieren die Aufwendungen für Sicherheit (z.B. gemeinsame Sicherheitsausrüstung, Schulungen für Fremdfirmen) als Teil ihrer Projektkosten. Hier spielen auch Versicherungsprämien eine Rolle: Ein guter Sicherheitsrekord kann zu niedrigeren Unfallversicherungsbeiträgen führen, während Unfälle (auch von Fremden) unter Umständen die BG-Beiträge oder Haftpflichtprämien erhöhen. Investitionen in PSA-Prävention können sich also langfristig lohnen.

Weiterhin ist die Haftungsfrage mit wirtschaftlichen Risiken verbunden. Zwar sind Mitarbeiter von Fremdfirmen bei Arbeitsunfällen über die Berufsgenossenschaft ihres Arbeitgebers versichert und können den Auftraggeber in der Regel nicht direkt auf Schadensersatz verklagen (wegen des im deutschen Recht geltenden Haftungsprivilegs des Arbeitgebers und beschränkter Drittansprüche). Doch es gibt Konstellationen, in denen der AG sehr wohl finanziell zur Rechenschaft gezogen werden kann: Beispielsweise kann ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Schadenersatzpflichten begründen, wenn der AG vertragliche Schutzpflichten verletzt. Auch Regressforderungen der Unfallkasse nach § 110 SGB VII sind denkbar, wenn dem AG grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dazu kommen indirekte Kosten: Projektverzögerungen, Ersatzvornahmen, Bußgelder bei Arbeitsschutzverstößen oder gar Produktionsstillstände. Ein schwerer Unfall auf dem Betriebsgelände – selbst wenn "nur" ein Fremdfirmenmitarbeiter betroffen ist – kann behördliche Ermittlungen auslösen, die den Betrieb unterbrechen. Insofern rechnet es sich wirtschaftlich, präventiv ein hohes Sicherheitsniveau sicherzustellen, statt ein solches Ereignis zu riskieren. Dem gegenüber stehen die kurzfristigen Kosten der PSA-Bereitstellung. Die Effizienzfrage lautet: Was ist günstiger – strikt auf Vertragserfüllung pochen (AN muss alles mitbringen) und eventuell Ausfälle riskieren, oder kooperativ unterstützen (PSA leihen) und dafür den reibungslosen Ablauf sichern? Viele Praktiker berichten, dass Kooperation effizienter ist: Wenn ein Auftrag kurzfristig erledigt werden muss, aber die Fremdfirma z.B. nicht genug Atemschutzgeräte dabeihat, ist es schneller und produktiver, dem AN die fehlenden Geräte auszuhändigen (ggf. mit kurzer Einweisung), als den Auftrag abzubrechen oder auf später zu verschieben. Zeitverzug kann sehr teuer sein, insbesondere bei Anlagenstillständen.

Ein weiterer ökonomischer Aspekt betrifft die Qualität der Fremdfirmen: Auftraggeber, die höheren Wert auf Sicherheit legen, arbeiten bevorzugt mit solchen Fremdfirmen zusammen, die von sich aus gut ausgestattet sind. Dies kann zu einem Wettbewerbsvorteil für sicherheitsbewusste Dienstleister führen. Umgekehrt können strenge Anforderungen (z.B. der AG verlangt PSA nach neuestem Standard) kleinere Anbieter abschrecken oder benachteiligen. Der AG muss also auch den Markt im Blick behalten: Setzt er voraus, dass AN ihre Leute exzellent ausrüsten, könnten die Angebotspreise steigen – was aber möglicherweise durch weniger Unfälle kompensiert wird. Hier zeigt sich, dass Arbeitssicherheit und Wirtschaftlichkeit keine Gegensätze sein müssen: Ein sicheres, unfallfreies Projekt ist letztlich auch ein wirtschaftlich erfolgreiches Projekt.

Es stellen sich die wirtschaftlichen Erwägungen wie eine Kosten-Nutzen-Analyse dar: Auf der Kostenseite die Anschaffung und Bereitstellung von PSA durch den AG; auf der Nutzenseite die Vermeidung von Unfällen, Haftungsfällen und Verzögerungen. Rein monetär mag der AN zunächst günstiger anbieten, wenn er an PSA spart – doch ein Unfall würde die Gesamtbilanz drastisch verschlechtern. Daher tendieren moderne Arbeitsschutzmanagement-Ansätze (z.B. Vision Zero) dazu, Sicherheit als investives Gut zu betrachten. Effizienz entsteht durch Sicherheit, nicht durch deren Vernachlässigung. Vor diesem Hintergrund erscheint es betriebswirtschaftlich sinnvoll, dass ein Auftraggeber im Zweifel lieber PSA zur Verfügung stellt (oder für deren Vorhandensein sorgt), um teure Zwischenfälle zu verhindern. Wichtig ist jedoch, dass dies strukturiert und planvoll geschieht, um nicht Unklarheiten in der Verantwortung zu schaffen.

Ethische Aspekte

Jenseits von Gesetz und Kalkulation steht die ethische Verantwortung gegenüber den Menschen, die bei der Zusammenarbeit ihr Leben und ihre Gesundheit einsetzen. Jeder Arbeitsunfall bedeutet menschliches Leid – für den Betroffenen, seine Familie, Kollegen und auch für Verantwortliche, die damit leben müssen. Ethik im Arbeitsschutz gründet auf dem Prinzip der Fürsorge und Achtung der Würde jedes Arbeitenden. In diesem Lichte ist es unerheblich, ob eine Person bei Firma A oder Firma B angestellt ist – gefährdet ist ein Mensch, und ihm muss Schutz zuteilwerden. Auftraggeber haben oft eine ausgeprägte Sicherheitskultur für die eigenen Beschäftigten; ethisch geboten ist, diese Kultur vorbehaltlos auf Fremdfirmenbeschäftigte auszudehnen. Es wäre moralisch kaum vertretbar, Sicherheitsstandards zweiter Klasse für „Fremde“ zuzulassen, nur weil rechtlich eine Abgrenzung besteht. Im Unglücksfall zählt nicht, wer den Helm hätte bereitstellen sollen – entscheidend ist, ob er vorhanden war.

Das Fürsorgeprinzip (§ 618 BGB, Arbeitgeberpflicht zur Schutzmaßnahmen) gilt zwar formal nur im Arbeitsverhältnis, aber ethisch lässt es sich weiterdenken: Jeder, der die Möglichkeit hat, jemanden vor Schaden zu bewahren, trägt eine moralische Mitverantwortung. Im Kontext von Fremdfirmen bedeutet das: Wenn der Auftraggeber sieht, dass ein Mitarbeiter des AN in Gefahr geraten könnte (z.B. ungesichert auf einem Gerüst arbeitet), gebietet die menschliche Verantwortung ein Eingreifen – sei es durch Warnung, Unterbrechung der Arbeit oder Bereitstellung von Schutzausrüstung. Unterlassene Hilfe widerspricht fundamental unserem Verständnis von Anstand und Sorgfalt. Die erwähnte Garantenstellung im Strafrecht spiegelt letztlich genau dieses ethische Gebot wider, indem sie bestimmte Personen (hier den betriebsverantwortlichen AG) rechtlich zum Helfen verpflichtet, sobald erkennbar Schutzmaßnahmen fehlen.

Weiterhin spielt der Wert des Menschenlebens und der körperlichen Unversehrtheit eine zentrale Rolle. Volkswirtschaftlich werden Unfälle in Euro bewertet, aber ethisch ist jeder schwer Verletzte oder Tote einer zu viel – unabhängig von vertraglichen Zuständigkeiten. Unternehmen betonen in Leitbildern häufig, dass ”Safety first” gilt und dass jeder Mitarbeiter* zähle. Dies muss konsequenterweise auch externe Mitarbeiter einschließen. Ein ethisch handelndes Unternehmen wird daher eher bereit sein, über das gesetzlich Geforderte hinaus Schutz zu bieten. Beispielsweise kann dies bedeuten, dem Fremdfirmenschlosser, der eine gefährliche Reparatur durchführt, das gleiche hochwertige Schutz-Equipment bereitzustellen wie einem eigenen Mitarbeiter, obwohl rein rechtlich die Fremdfirma dafür sorgen müsste. Hier steht Verantwortungsbewusstsein über formalem Zuständigkeitsdenken.

Auch das Konzept der “Safety Culture” schließt alle ein: Oft arbeitet die Fremdfirma Seite an Seite mit eigenen Beschäftigten. Für eine glaubwürdige Sicherheitskultur darf es keine zwei Klassen geben. Mitarbeiter beobachten sehr genau, wie Vorgesetzte und Auftraggeber mit Fremden umgehen – ob ihnen dieselbe Fürsorge entgegengebracht wird. Ein AG, der sagt “Deine Sicherheit ist mir wichtig” und dem eigenen Team modernste PSA stellt, aber beim Fremdarbeiter ein Auge zudrückt, verliert an moralischer Autorität. Umgekehrt schafft ein integrativer Ansatz Vertrauen und Vorbildwirkung. In vielen Fällen sind es sogar die eigenen Beschäftigten, die darauf drängen, dass Fremdfirmen sicher arbeiten: Niemand möchte Zeuge oder gar Beteiligter eines Unfalls sein, der vermeidbar gewesen wäre. Ethik und Psychologie greifen hier ineinander – ein sicherheitsbewusstes Umfeld erhöht das Verantwortungsgefühl aller Beteiligten füreinander.

Nicht zuletzt ist da der ethische Imperativ der Prävention: “Handle so, dass durch dein Tun und Lassen kein Mensch zu Schaden kommt” – eine Art kategorischer Imperativ im Arbeitsschutz. Dies legt nahe, im Zweifel alle möglichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, auch wenn eine formale Pflicht unklar ist. Die Bereitstellung von PSA durch den AG kann im Einzelfall eine solche zusätzliche Schutzmaßnahme sein. Sie sollte nicht ausgenutzt werden, um den AN aus seiner Pflicht zu entlassen, aber sie kann aus Mitmenschlichkeit geboten sein. Ein greifbares Beispiel: Ein Auftraggeber bemerkt, dass Arbeiter einer Fremdfirma in großer Hitze schuften und nicht genug Trinkwasser oder geeignete Kleidung haben. Rechtlich könnte er sagen: nicht mein Problem. Ethisch wird er vermutlich handeln – Wasser bereitstellen, Schattenplätze anbieten, vielleicht leichte Schutzkleidung organisieren. Ähnlich verhält es sich mit PSA bei Gefahr: Wenn das Gewissen gebietet einzugreifen, sollte man es tun.

Die Verantwortung für Menschenleben lässt sich nicht delegieren. Jeder, der vor Ort Verantwortung tragen kann, sollte sie teilen, unabhängig von Verträgen. Für Auftraggeber bedeutet dies, sich als Gastgeber und Hüter der Sicherheit aller Anwesenden zu sehen – ein Ansatz, der letztlich auch von immer mehr Unternehmen im Rahmen der Corporate Social Responsibility (CSR) verankert wird.

Schlussfolgerungen

Nach eingehender Analyse der juristischen Vorgaben, der praktischen Handhabung sowie wirtschaftlicher und ethischer Argumente lässt sich die Kernfrage wie folgt beantworten: Im Regelfall sollte der Auftraggeber dem Auftragnehmer keine allgemeine PSA-Pauschalausrüstung bereitstellen müssen, da das deutsche Recht den Arbeitgeber der Fremdfirma in der Pflicht sieht, seine Beschäftigten auszustatten. Aber: Der Auftraggeber kann und darf sich nicht darauf beschränken, bloß auf die Pflichten des Anderen zu verweisen. Er hat eine Mitverantwortung für die Sicherheit im eigenen Betrieb, die ihn zur Kooperation, Unterstützung und notfalls Intervention verpflichtet.

Konkret bedeutet dies: Der beste Ansatz ist ein koordinierter. Bereits vor Arbeitsbeginn sollten AG und AN gemeinsam die Gefährdungen beurteilen und schriftlich festhalten, welche PSA erforderlich ist. Der AN bestätigt, dass er diese mitbringt und seine Leute unterwiesen hat; der AG bestätigt, welche seinerseits gestellt wird (z.B. spezielle Ausrüstung, wenn verabredet). Diese Absprachen werden idealerweise Vertragsbestandteil. Während der Arbeit überwacht der AG stichprobenartig, ob die Vereinbarungen eingehalten werden – zum Beispiel ob die Fremdfirmenmitarbeiter die PSAs tatsächlich tragen. Stellt er fest, dass notwendige PSA fehlt oder nicht benutzt wird, muss er sofort reagieren: entweder indem er den AN auffordert, Abhilfe zu schaffen, oder indem er selbst ad hoc PSA zur Verfügung stellt (falls dies schneller geht), verbunden mit entsprechender Unterweisung. Wichtig ist anschließend, den Vorfall auszuwerten und strukturelle Konsequenzen zu ziehen (etwa die Fremdfirma zu ermahnen oder bei Wiederholung vom Auftrag auszuschließen).

Eine generelle Pflicht des AG, standardmäßig PSA bereitzuhalten, lässt sich aus den Gesetzen nicht ableiten – und sie wäre auch kontraproduktiv, da sie den AN von seiner Verantwortung entbinden würde. Stattdessen sollte der AG darauf dringen, nur solche Fremdfirmen einzusetzen, die von vornherein ausreichend mit PSA ausgestattet sind. Das Auswahlverfahren (Prequalification) kann hier ansetzen, z.B. durch Abfrage der Arbeitsschutzorganisation und PSA-Ausstattung beim Bieter. Pflichtenübertragungen sollte der AG schriftlich regeln, z.B. die Benennung eines Fremdfirmenkoordinators mit Weisungsrecht bei Verstößen. Auf diese Weise bleibt die Linie der Verantwortung klar, aber der AG schafft sich die Eingriffsmöglichkeiten, um seiner Verkehrssicherungspflicht gerecht zu werden.

Ökonomisch empfiehlt es sich, die Kostenfrage nicht isoliert zu betrachten. Die vergleichsweise geringen Kosten, gelegentlich PSA an Fremdfirmen zu verleihen, können enormes Einsparpotential bergen, indem Unfälle vermieden werden. Daher sollte die Bereitstellung von PSA durch den AG dort erfolgen, wo sie zur Gefahrenabwehr notwendig oder erheblich beiträgt, ohne in Spitzfindigkeiten zu verfallen, wer “zuständig” ist. Die Vermeidung von Schäden und Haftungsfällen ist letztlich die günstigere Option – darin sind sich juristische und wirtschaftliche Logik einig.

Ethisch betrachtet gibt es ohnehin nur eine vertretbare Haltung: Die Unversehrtheit jedes Menschen im Betrieb hat höchste Priorität. Ein Auftraggeber sollte also im Zweifel immer zugunsten der Sicherheit entscheiden. Im Idealfall entwickelt sich eine Kultur, in der Fremdfirmen gar nicht erst ohne PSA erscheinen, weil alle Beteiligten das gleiche Verständnis von Sicherheit teilen. Bis dahin ist es die Aufgabe des AG, dieses Verständnis einzufordern und zu fördern – notfalls durch eigenes Vorleben und Bereitstellen von Ressourcen.

Der Auftraggeber sollte dem Auftragnehmer normalerweise keine vollständige PSA-Ausstattung schulden, wohl aber sicherstellen, dass dieser sie beschafft und nutzt. Wo der Auftragnehmer hierzu nicht in der Lage oder Willens ist, darf der Auftraggeber aus Verantwortung für die Menschen nicht zögern, PSA bereitzustellen, um größeren Schaden abzuwenden. Juristisch bewegt er sich damit im Rahmen der gemeinsamen Arbeitsschutzpflichten (§ 8 ArbSchG) und wahrt seine Verkehrssicherungspflicht. Ökonomisch schützt er seine Projektziele und ethisch handelt er integer. Die Rollen von AG und AN im Arbeitsschutz bleiben dabei ergänzt statt vertauscht: Der AN bleibt primär verantwortlich und wird idealerweise durch die Initiativen des AG unterstützt, nicht entmündigt. Wenn dieses Zusammenspiel gelingt, ist die Frage “Soll der AG PSA bereitstellen oder nicht?” weniger eine Streitfrage, sondern Teil gelebter Sicherheitskooperation – im Dienste der Gesundheit aller Beschäftigten.