Kontinuierliche Eigenüberwachung des Auftragnehmers
Im arbeitsteiligen Industrie‑ und Dienstleistungssektor / Facility Management ist das Miteinander von Eigen‑ und Fremdpersonal längst Normalität. Schon das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet mehrere Arbeitgeber zur Kooperation (§ 8 ArbSchG) und setzt damit voraus, dass jede Partei ein zuverlässiges Eigenüberwachungs‑ und Informationssystem betreibt, das sich nahtlos in die Risikosteuerung des anderen integriert. Die nachfolgenden Ausführungen beleuchten die Perspektive der Fremdfirma – und zeigen, wie sich ihre jeweiligen Rechte, Pflichten und Interessen im gemeinsamen Dokumentations‑ und Kontrollregime der kontinuierlichen Eigenüberwachung verschränken. Aus logistischer Perspektive ist die kontinuierliche Eigenüberwachung der Fremdfirma kein Selbstzweck, sondern der Dreh‑ und Angelpunkt eines symbiotischen Compliance‑Systems. Für den Auftraggeber minimiert sie Haftungs‑ und Reputationsrisiken, sichert die Lieferkette und belegt verantwortungsvolle Unternehmensführung gegenüber Investoren und Behörden. Für die Fremdfirma schafft sie Marktzugang, betriebliche Effizienz und – nicht zuletzt – einen belastbaren Compliance‑Shield gegen Ordnungs‑ und Strafverfolgung. Dokumente sind dabei nicht bloß Papier, sondern die Datenspur, an der sich Reifegrad, Wirksamkeit und Integrität des Systems ablesen lassen. Wer Transparenz, Versionierung und digitale Echtzeit‑Fähigkeit konsequent verankert, wird den steigenden Anforderungen gewachsen sein und aus einem potenziellen „Pflichtenkorsett“ einen strategischen Wettbewerbsvorteil formen.
Selbstkontrolle als Bestandteil der Vertragserfüllung
Die Fremdfirma schuldet nicht nur das Werk, sondern auch eine „ordnungsgemäße Durchführung“. Daraus leitet sich eine Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) ab, die nach herrschender Meinung in eine Systempflicht der kontinuierlichen Eigenüberwachung mündet. Ergänzend verpflichten DGUV Information 215‑830 und DIN 77200‑3 zu einem dokumentierten Qualitäts‑ und Sicherheitsmanagement.
Aufbau des Überwachungssystems
Governance: Bestellung eines QHSE‑Leiters („Beauftragter der Fremdfirma“ nach DGUV‑Info, Ziff. 2.1).
CAPA‑Register zur Nachverfolgung von Korrektur‑ und Vorbeugemaßnahmen.
Notfall‑ und Krisenprotokolle (Alarmierung, Evakuierung, Lessons‑Learned‑Sheet).
Die Integrität dieser Dokumente ist zentral: Sie müssen fälschungssicher, versionsgepflegt und nachvollziehbar sein, um im Streitfall als Beweismittel zu dienen.
Digitale Prozessreife
Moderne Fremdfirmen binden ihre Dokumentation an Cloud‑basierte Plattformen an. Ein Rollen‑ und Rechtekonzept ermöglicht es, dass der Auftraggeber Live‑Einblick erhält, ohne proprietäre Systeme penetrativ zu durchsuchen. API‑Standards (JSON/REST) reduzieren Medienbrüche; Blockchain‑gestützte Zeitstempelungen erhöhen die Beweissicherheit.
Schnittstellen beider Systeme
Prozessphase
Auftraggeber
Fremdfirma
Gemeinsame Dokumente
Vergabe
Lastenheft, Qualifikationsmatrix
Präqualifikationsmappe
Pre‑Qualification‑Checkliste
Planung
Betriebsanweisung, Verkehrswegeplan
Gefährdungsbeurteilung
Koordinations‑GBU
Ausführung
Baustellenbegehung, Spot Checks
Tagesbericht, Abweichungsprotokoll
Joint Daily Log
Überprüfung
Fremdaudit, KPI‑Review
Interner Auditbericht
Audit‑Scorecard
Abschluss
Leistungsabnahme, Lessons Learned
Abschlussbericht
Combined Close‑out‑Report
Die Dokumente der kontinuierlichen Eigenüberwachung – Detailanalyse
Kategorie
Typischer Inhalt
Erforderliche Metadaten
Häufige Mängel
Best‑Practice‑Hinweis
Gefährdungs‑dokumente
Tätigkeits‑ und Stoffbeschreibung, Schutzmaßnahmen
Arbeitsbereich, Datum, Version, Prüfer
Veraltete Versionen, fehlende Unterschriften
QR‑Code‑basierte Versionierung
Audit‑Unterlagen
Checklisten, Abweichungslisten, CAPA‑Plan
Auditteam, Scope, Auditkriterien
fehlende Wirksamkeitsprüfung
„5‑Why“‑Analyse zwingend dokumentieren
KPI‑Reports
LTIR, TRIR, KPI‑Score
Berechnungsformel, Datenquelle
fehlende Plausibilitätsprüfung
Automatisches Pull aus Sensor‑DWH
Schulung & Unterweisung
Agenda, Teilnehmerliste, Ergebnisse
Trainer, Qualifikationsnachweise
Unleserliche Scans, DSGVO‑Verstöße
Digitale Signatur und Bi‑Lingual Templates
Event‑Logs
Alarm, Near‑Miss, Incident
Zeitstempel, Geodaten
Lückenhafte Zeitachsen
Blockchain‑Time‑Stamping
Handlungsempfehlungen
Vertraglich klare Schnittstellen: Pflichtenmatrix beigelegt, wer welches Dokument erstellt, freigibt und archiviert – vermeidet Grauzonen.
Sanktionensystematik: Stufung von Abmahnung bis Kündigung bzw. Umsatzbuße (VerSanG‑Entwurf) sorgt für positive und negative Anreize.