Der Eskalations-Toolkasten in der Lieferantenentwicklung
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Eskalations-Toolbox in der Lieferantenentwicklung
Lieferantenentwicklung bezeichnet den systematischen Ansatz, Lieferantenbeziehungen zu gestalten und die Leistungsfähigkeit der Dienstleister stetig zu verbessern. Darunter versteht man den Aufbau langfristiger, partnerschaftlicher Beziehungen, bei denen der Auftraggeber den Lieferanten aktiv unterstützt, seine Performance zu steigern – etwa durch Schulungen, Audits oder gemeinsame Verbesserungsprojekte. Trotz eines kooperativen Grundgedankens treten in der Praxis jedoch Leistungsprobleme externer FM-Dienstleister auf, welche ein konsequentes Eskalationsmanagement erfordern. Der Begriff Eskalation wird im Wirtschaftsleben allgemein für das kontrollierte „Nach-oben-Verlagern“ von Entscheidungen verwendet, wenn auf Arbeitsebene keine Lösung mehr erzielt wird. Ein Eskalations-Toolkasten in der Lieferantenentwicklung umfasst daher definierte Eskalationsstufen und Instrumente, um bei Vertragsstörungen oder Zielabweichungen schrittweise intensivere Maßnahmen zu ergreifen – von der frühzeitigen Warnung bis hin zum Delisting eines Lieferanten. Ein gut geführter Eskalationsprozess ist kein Zeichen von Misstrauen, sondern Ausdruck eines reifen Lieferantenmanagements – er schafft den Rahmen, in dem Dienstleister und Auftraggeber gemeinsam an exzellenten Leistungen arbeiten können, und zieht klare Grenzen, wo nötig, um die Ziele des Facility Managements sicherzustellen.
Normativer Rahmen und Anforderungen:
Qualitäts- und FM-Managementnormen fordern ein systematisches Lieferantenmanagement, das Leistung überwacht und Risiken steuert. Die internationale FM-Norm DIN EN ISO 41001:2018 beispielsweise stellt Anforderungen an ein FM-Managementsystem auf, analog zu ISO 9001 im Qualitätsmanagement. Sie soll Rahmenbedingungen für ein gut funktionierendes Facility-Management-System liefern und zertifizierbare Kriterien schaffen. Ein zentrales Prinzip solcher Managementsysteme (ISO 9001, ISO 41001 etc.) ist die Steuerung externer bereitgestellter Prozesse: Werden FM-Leistungen ausgelagert, muss die Organisation sicherstellen, dass diese Lieferanten wirksam geführt und überwacht werden. So bleibt trotz Outsourcing die Verantwortung beim Auftraggeber, die Erfüllung der Pflichten und die Einhaltung von Vorschriften durch den Dienstleister zu gewährleisten. ISO 41001 ermöglicht es Organisationen sogar, von ihren FM-Dienstleistern zu verlangen, ein eigenes zertifiziertes FM-System nach dieser Norm einzuführen, um sicherzustellen, dass Dienstleister qualitätsgesicherte Prozesse implementiert haben. Neben Normen definieren auch Richtlinien (z. B. GEFMA 940 ff.) und rechtliche Pflichten (z. B. Betreiberverantwortung gemäß Verkehrssicherungspflichten) den Rahmen: FM-Unternehmen müssen nachweislich geeignete Prozesse zur Leistungskontrolle, Dokumentation und Korrektur von Mängeln haben. Vertragsseitig sind oft Service Level Agreements (SLAs) definiert, die Leistungsparameter festlegen und Abweichungen sanktionierbar machen. All dies unterstreicht die Notwendigkeit eines formalisierten Eskalationsmanagements, das frühzeitig erkennt, wenn ein Dienstleister die vertraglichen Ziele gefährdet, und abgestufte Maßnahmen ergreift, um die Servicequalität wiederherzustellen. Ein solches System trägt zugleich den Anforderungen der Normen nach kontinuierlicher Verbesserung und Risikomanagement Rechnung, indem es klare Prozesse für Korrekturmaßnahmen, Kommunikation und Eskalation vorsieht.
Eskalationsstufen von Frühwarnung bis Delisting:
In Anlehnung an bewährte Lieferanten-Eskalationsmodelle, etwa aus der Automobilindustrie, lässt sich ein mehrstufiges Eskalationsschema entwickeln, das auf FM-Dienstleister übertragen wird. Dieses Schema umfasst typischerweise vier Eskalationsstufen neben dem Normalzustand. Im Normalzustand (Stufe 0) läuft die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten im Rahmen des Tagesgeschäfts, ohne besondere Vorkommnisse; alle Leistungsziele gelten als erfüllt oder zumindest nicht gefährdet. Tritt jedoch ein erstes gravierendes Problem auf – sei es eine Häufung von Mängeln, ein sicherheitsrelevanter Vorfall oder eine deutliche SLA-Verfehlung – wird Eskalationsstufe 1 eingeleitet. Diese Stufe könnte man als Frühwarnung bezeichnen: Die Zielerreichung ist erstmals gefährdet, sodass gehandelt werden muss. In Stufe 1 wird der Dienstleister formell über die Probleme informiert und es wird ein Aktionsplan zur Problemlösung gefordert. Dieses Instrument – im Englischen häufig Performance Improvement Plan (PIP) genannt – beinhaltet konkrete Maßnahmen, Verantwortlichkeiten und Fristen, die der Lieferant einzuhalten hat, um die Leistungsdefizite abzustellen. Wichtig ist, dass bereits auf dieser frühen Stufe die Kommunikation eskaliert wird: Die Führungsebene des Dienstleisters wird informiert, um sicherzustellen, dass das Anliegen ernst genommen und Ressourcen für die Verbesserung bereitgestellt werden. Ziel der Stufe 1 ist es, durch die vereinbarten Maßnahmen eine Rückkehr zum Normalzustand zu erreichen und eine weitere Verschlechterung abzuwenden. Gelingt dies (z. B. bleiben neue SLA-Verletzungen für einen definierten Zeitraum aus), kann der Lieferant offiziell aus der Eskalation entlassen und deeskaliert werden. Andernfalls – falls also trotz PIP die Leistung weiterhin unzureichend bleibt oder neue Probleme auftreten – erfolgt der Übertritt zu Eskalationsstufe 2.
Eskalationsstufe 2
In Eskalationsstufe 2 sind die Leistungsziele bereits verfehlt oder wiederholt verletzt worden, was eine intensivere Eingriffstiefe erfordert. An diesem Punkt wird oft ein gemeinsames Handlungskonzept entwickelt: Auftraggeber und Dienstleister setzen sich zusammen (bspw. in einem Krisenmeeting) und analysieren die Ursachen der Probleme tiefgehender. Zusätzlich werden weitergehende Containment-Maßnahmen eingeführt, um die unmittelbaren Auswirkungen der Leistungsprobleme einzudämmen. In der Industrie spricht man hier vom Controlled Shipping bzw. Sondermaßnahmen, übertragen auf Dienstleistungen könnte man von kontrollierter Leistungserbringung sprechen. Konkret bedeutet dies: Der Dienstleister muss vor der nächsten Leistungserbringung zusätzliche Kontrollen durchführen, um sicherzustellen, dass keine weiteren Fehler beim Kunden ankommen. In der Zulieferindustrie existieren dazu definierte Stufen: Controlled Shipping Level 1 (CSL1) verpflichtet den Lieferanten, über die normalen Qualitätsprüfungen hinaus eine 100%‐Kontrolle aller kritischen Einheiten vorzunehmen. Übertragen auf FM-Dienstleistungen könnte CSL1 z. B. bedeuten, dass der Dienstleister vor Abnahme seiner Arbeiten (etwa einer Wartung) selbst eine vollständige Überprüfung aller Leistungsparameter durchführt und dies dokumentiert. CSL2, die nächste Stufe, sieht vor, dass ein externer Dritter diese 100%‐Prüfung übernimmt. In einem FM-Kontext käme hier etwa ein vom Auftraggeber bestimmter externer Auditor oder Gutachter ins Spiel, der die Servicequalität vor Ort kontrolliert, weil das Vertrauen in die Selbstprüfung des Dienstleisters erschüttert ist. Solche verschärften Maßnahmen der Stufe 2 dienen als Feuerwehr: Sie stellen sicher, dass akut keine weiteren gravierenden Fehler passieren (Containment), während parallel der Dienstleister an der Ursachenbehebung arbeitet. Oft wird in Stufe 2 der Maßnahmenplan aus Stufe 1 erweitert und mit strengeren Auflagen versehen (etwa häufigere Berichterstattung, Schulung des Dienstleister-Personals, Ersatz gestellter Ressourcen etc.). Die Kommunikation ist nun meist hochrangig: Regelmäßige Management-Gespräche zwischen beiden Unternehmen werden etabliert, um Fortschritte zu überwachen. Ziel von Stufe 2 ist es, den Dienstleister unter enger Führung wieder auf den geforderten Leistungsstandard zu bringen, bevor kritischere Konsequenzen nötig werden.
Eskalationsstufe 3
Eskalationsstufe 3 kommt zum Tragen, wenn auch die vorherigen Bemühungen nicht den gewünschten Erfolg zeigen oder wenn neue, gravierende Probleme hinzukommen, die ein noch höheres Eingreifen erfordern. Auf dieser Stufe wird die Situation als geschäftskritisch angesehen. Typischerweise erfolgt nun eine Eskalation an die oberste Management-Ebene beider Seiten. Man spricht oft von einem Eskalationsworkshop vor Ort oder Krisengipfel: Die Leitung des FM-Unternehmens besucht ggf. den Dienstleister (oder umgekehrt) zu einem intensiven Termin, um letzte Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten. Alle bisherigen Erkenntnisse werden analysiert – etwa welche Maßnahmen des PIP wirkungslos blieben – und es wird ein Ultimatum für grundlegende Änderungen gesetzt. Parallel kann das FM-Unternehmen in Stufe 3 bereits beginnen, alternative Optionen zu sondieren (z. B. interne Notfallteams aufbauen oder Zweitlieferanten vorbereiten), da die Möglichkeit eines Scheiterns der Geschäftsbeziehung real geworden ist. Ein häufig eingesetztes Instrument in dieser Phase – insbesondere in der freien Wirtschaft – ist das Verhängen eines Neugeschäftsstopps für den betreffenden Lieferanten. Dieses New Business Hold bedeutet, dass der Dienstleister vorübergehend keine neuen Aufträge oder Vertragserweiterungen vom Auftraggeber erhält, bis die Probleme gelöst sind. Das erhöht den Druck erheblich, da der Lieferant spürt, dass seine zukünftigen Geschäftsoptionen auf dem Spiel stehen. Stufe 3 ist also eine letzte Eskalationsstufe vor dem endgültigen Bruch, wo dem Dienstleister unmissverständlich die drohenden Konsequenzen klargemacht werden. Sollte der Dienstleister in dieser Phase substanzielle Gegenmaßnahmen einleiten und nachhaltige Verbesserungen erzielen, kann eine schrittweise De-Eskalation erfolgen (z. B. Rückstufung auf Stufe 2 nach einer gewissen Bewährungszeit mit stabiler Leistung). Wenn jedoch auch die dritte Stufe scheitert, bleibt nur noch der finale Schritt.
Eskalationsstufe 4
Die Eskalationsstufe 4 entspricht dem Delisting, also der Beendigung der Lieferantenbeziehung. Dieser Schritt wird notwendig, wenn die gesetzten Leistungsziele wiederholt und gravierend verfehlt wurden und alle vorigen Eskalationsstufen keine ausreichende Besserung bewirken konnten. Typischerweise verhängt das Unternehmen in dieser Endstufe eine vollständige Vergabesperre für den Dienstleister und leitet den Lieferantenwechsel ein. Praktisch bedeutet das, dass der laufende Vertrag – soweit rechtlich möglich – gekündigt oder ausläuft und nicht verlängert wird, und dass der Dienstleister aus dem Kreis der zugelassenen Anbieter gestrichen wird. Parallel wird die Verteilung der Leistungen neu organisiert, etwa indem ein Ersatzdienstleister beauftragt wird oder interne Ressourcen die Aufgaben übernehmen. Dieser Delisting-Prozess muss gut vorbereitet sein, um die Betriebskontinuität im FM nicht zu gefährden. Oft erfolgt ein kontrollierter Exit: Solange der neue Dienstleister noch nicht voll einsatzfähig ist, muss der alte unter Aufsicht weiterarbeiten, ggf. mit weiteren Containment-Maßnahmen, um das Risiko zu begrenzen. In jedem Fall markiert Stufe 4 das Ende der Eskalationskette – hier wird aus dem scheiternden Lieferantenverhältnis die Konsequenz gezogen. Wichtig ist, dass dieser Schritt dokumentiert und begründet wird, da in vielen Fällen rechtliche Auseinandersetzungen drohen (z. B. Streit um Vertragskündigung oder Schadenersatz). Im Kontext strenger Regulierungen – etwa bei sicherheitskritischen FM-Leistungen – kann ein Delisting auch behördlich mitgeteilt oder begründet werden müssen. Nach vollzogenem Lieferantenwechsel sollte die letzte Eskalationsstufe zudem in einem Lessons-Learned-Prozess aufgearbeitet werden: Was ließ sich aus dem Scheitern lernen, und wie können künftige Dienstleisterauswahlen, Verträge oder Frühwarnindikatoren verbessert werden, um ähnliche Fälle zu vermeiden?
Zentrale Instrumente des Eskalationsmanagements:
Zentrale Instrumente des Eskalationsmanagements: Wie aus der obigen Darstellung ersichtlich, kommen je nach Eskalationsstufe verschiedene Werkzeuge zum Einsatz, die zusammen den Eskalations-Toolkasten bilden.
Einige Schlüsselelemente seien im Folgenden noch einmal zusammenfassend erläutert, da sie für die Praxis des FM besonders relevant sind:
Performance Improvement Plan (PIP): Dies ist ein strukturierter Maßnahmenplan, der typischerweise in Eskalationsstufe 1 eingefordert wird. Ein PIP hält fest, welche konkreten Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen der Dienstleister umzusetzen hat, um festgestellte Mängel zu beseitigen. Der Plan beinhaltet klare Ziele, Verantwortliche und Fristen für jede Maßnahme sowie oft Kennzahlen, an denen der Erfolg gemessen wird. In der Lieferantenentwicklung fungiert der PIP als zentrales Steuerungsinstrument: Er verpflichtet den Lieferanten, proaktiv zu handeln, und liefert dem Einkauf bzw. FM-Manager ein Mittel, die Umsetzung nachzuverfolgen. Wichtig ist, dass der PIP verbindlich vereinbart und von der Lieferantenführung gegengezeichnet wird, um Commitment sicherzustellen. In vielen Fällen wird der PIP von regelmäßigen Review-Meetings begleitet, in denen Fortschritte und Hindernisse besprochen werden. Sollte der Lieferant die im PIP gesetzten Punkte nicht fristgerecht erfüllen, gibt dies einen objektiven Anlass, in die nächste Eskalationsstufe überzugehen.
Controlled Shipping / Containment: Dieses Instrument wurde bereits im Rahmen von Eskalationsstufe 2 erläutert. Es stellt sicher, dass keine fehlerhaften Leistungen oder Produkte mehr zum Kunden gelangen, indem zusätzliche Prüfschritte eingeführt werden. Controlled Shipping kann man als eine Art „Qualitätssicherungs-Quarantäne“ verstehen: Der Dienstleister muss vor dem Weiterliefern bzw. Fertigmelden seiner Leistung intern oder durch Dritte sicherstellen, dass alle festgelegten Qualitätskriterien erfüllt sind. In der Praxis des technischen FM könnte dies bedeuten, dass ein Wartungsdienstleister nach mehrfachen Mängeln jede Wartung durch einen zweiten Techniker prüfen lässt, bevor er die Anlage wieder freigibt. Oder ein Reinigungsdienst muss nach Beanstandungen vor der Abnahme durch den Auftraggeber eine interne Qualitätsinspektion jeder gereinigten Fläche durchführen. Controlled Shipping Level 1 beruht auf der Selbstprüfung durch den Lieferanten, Level 2 auf der Prüfung durch unabhängige Dritte. Dieses Instrument erhöht kurzfristig den Aufwand (und die Kosten, die in vielen Fällen dem Lieferanten auferlegt werden) und schafft so einen wirtschaftlichen Anreiz zur raschen Verbesserung. Kein Dienstleister möchte lange unter CSL1/2 arbeiten, da es seine Marge und Reputation belastet. Wichtig ist, dass die Kriterien für das Ende der Controlled-Shipping-Phase definiert sind (z. B. eine fehlerfreie Leistung über x Aufträge in Folge), damit der Lieferant eine Perspektive hat, aus dieser verschärften Kontrolle wieder herauszukommen.
Dienstleistersperre / Neugeschäftssperre: Dieses Instrument greift typischerweise in den Eskalationsstufen 3 und 4. Eine Dienstleistersperre bedeutet, dass der Auftraggeber den betreffenden Anbieter für weitere Aufträge blockiert – sei es temporär (bis eine Problemlösung erfolgt) oder dauerhaft (im Falle des Delistings). In der Privatwirtschaft ist dies ein gängiges Vorgehen: Das Unternehmen kann intern festlegen, dass kein neues Geschäft mit dem Lieferanten mehr getätigt wird und dass Ausschreibungen, an denen er teilnimmt, zu seinen Ungunsten entschieden werden. Ein Automobilhersteller etwa verhängt eine Vergabesperre und schreibt geplante Neuprodukte an andere Lieferanten um. Im Facility Management kann eine Dienstleistersperre z. B. bedeuten, dass ein Reinigungsunternehmen, das wiederholt SLA-Verletzungen aufweist, von der Vergabe weiterer Liegenschaften ausgeschlossen wird. Im öffentlichen Sektor allerdings ist dieses Instrument nur eingeschränkt nutzbar (dazu später mehr): Aufgrund vergaberechtlicher Vorgaben darf ein Auftraggeber nicht ohne weiteres einen Bieter von zukünftigen Vergaben ausschließen oder bevorzugen. Allerdings gibt es auch hier Möglichkeiten, durch Leistungsbewertungen und dokumentierte Schlechtleistungen einen Anbieter bei künftigen Ausschreibungen schlechter zu bewerten oder – bei gravierenden Verstößen – gemäß Vergaberecht auszuschließen. Die Dienstleistersperre im weiteren Sinne umfasst auch die Entscheidung, einen Vertrag nicht zu verlängern oder außerordentlich zu kündigen. Sie ist das schärfste Schwert im Eskalations-Toolkasten und signalisiert, dass das Vertrauen vollständig erschüttert ist. Eine solche Maßnahme erfordert in FM-Unternehmen meist die Zustimmung der Geschäftsführung und wird eng mit der Rechtsabteilung abgestimmt, da sie potenziell juristisch angefochten werden kann. Gute Praxis ist, dem Lieferanten die Sperre transparent mitzuteilen und die Gründe offen zu legen – oftmals ist dieser Schritt ohnehin die Konsequenz eines letzten Eskalationsgesprächs (Stufe 3), in dem bereits angekündigt wurde: „Wenn keine Wunder geschehen, müssen wir uns anderweitig orientieren.“.
Weitere Instrumente und unterstützende Maßnahmen: Neben den großen Eskalationswerkzeugen PIP, Containment und Sperre gibt es eine Reihe flankierender Maßnahmen, die ein Eskalationsmanagement stützen. Dazu zählen Vertragsstrafen (Pönalen) bei SLA-Verletzungen, die automatisch fällig werden und den Lieferanten finanziell spürbar treffen, Sonderaudits oder Inspektionen beim Dienstleister (um systemische Schwachstellen aufzudecken), das Zurückhalten von Zahlungen bis zur Mängelbehebung (sofern vertraglich zulässig) oder auch der Einsatz alternativer Dienstleister parallel (um die Abhängigkeit zu reduzieren und dem eskalierten Lieferanten zu zeigen, dass Ersatz verfügbar ist). In krisenhaften Situationen kann es auch sinnvoll sein, eigene Mitarbeiter zeitweise vor Ort beim Dienstleister oder an der Leistungserbringungsstätte einzusetzen, um zu überwachen und notfalls einzugreifen (eine Analogie zum Resident Engineer in anderen Branchen). All diese Tools sollten in einem Eskalationsleitfaden des Unternehmens definiert sein, damit im Ernstfall klar ist, welche Option wann zur Verfügung steht. Zudem ist es wesentlich, die Deeskalation nicht zu vergessen: Genauso wie das Eskalieren muss auch das Zurückführen eines Lieferanten in den Normalstatus gesteuert werden. Ein Anbieter, der seine Leistung stabilisiert hat, sollte eine faire Chance bekommen, sich wieder als vollwertiger Partner zu etablieren – etwa durch einen formellen Deeskalationsbeschluss und positive Anerkennung der Verbesserungen.
Typische Problemfelder in der FM-Dienstleisterpraxis:
Welche Auslöser führen nun typischerweise dazu, dass ein FM-Dienstleister in den Eskalationsprozess gerät?
Aus der Praxis des technischen und infrastrukturellen Facility Managements lassen sich einige häufige Problemfelder benennen:
Mängel bei Wartung und Instandhaltung: Technische FM-Dienstleister (z. B. für Aufzugswartung, HVAC-Service, Elektroprüfungen) haben oft streng einzuhaltende Wartungspläne und Prüfvorschriften. Werden diese vernachlässigt oder unsachgemäß durchgeführt, entstehen gefährliche Lücken. Beispielsweise kann ein Dienstleister wiederholt Inspektionen nicht termingerecht erledigen oder die Wartungsprotokolle weisen Qualitätsmängel auf. Solche Versäumnisse gefährden nicht nur die Betriebssicherheit, sondern verletzen auch Compliance-Pflichten des Eigentümers. In einer Vielzahl von Projekten zeigt sich, dass nicht jeder Dienstleister hält, was er verspricht – sei es aus Personalmangel, fehlendem Know-how oder Nachlässigkeit. Frühwarnsignale sind hier etwa vermehrte Störfälle kurz nach durchgeführter Wartung, Beschwerden der Nutzer über Anlagenzustände oder fehlende Dokumentationen. Diese Indikatoren sollten im FM-Unternehmen ernst genommen werden, da sie auf strukturelle Leistungsprobleme beim Servicepartner hindeuten. Ein initiales Gespräch und die Forderung nach Abhilfe (Stufe 1) sind dann geboten. Wenn ein Wartungsdienstleister beispielsweise trotz Mahnungen wiederholt Prüffristen überschreitet oder keine ausreichenden Fachkräfte stellt, kann dies schnell Richtung Eskalationsstufe 2 gehen, da akut die Betreiberverantwortung des Auftraggebers auf dem Spiel steht.
Sicherheitsvorfälle und Arbeitsschutz: Im FM-Umfeld sind Dienstleister oft in sicherheitskritische Tätigkeiten involviert – sei es der Werkschutz, der Umgang mit Brandschutztechnik oder Arbeiten mit hoher Unfallgefahr (etwa auf Leitern, mit Elektrizität etc.). Sicherheitsvorfälle wie Unfälle, Beinahe-Unfälle oder Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften durch Dienstleister-Personal gelten als besonders schwerwiegende Probleme. Sie können nicht nur Menschen gefährden, sondern auch erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (Stichwort: Haftung des Betreibers). Treten solche Vorfälle auf, greifen Eskalationsmechanismen häufig sofort auf höherer Stufe: Ein gravierender Arbeitsunfall etwa kann unmittelbar eine Eskalation zur Geschäftsleitung auslösen, da hier Krisenmanagement und externe Meldungen (Behörden, Berufsgenossenschaft) anstehen. Typische Mängel sind z. B. fehlende Schutzausrüstung bei Dienstleister-Mitarbeitern, unzureichende Sicherheitsunterweisungen oder Verletzungen der Zutrittskontrollprozesse im Sicherheitsdienst. Bereits ein einzelner schwerer Vorfall kann ausreichend sein, um mindestens Stufe 2 einzuleiten – inklusive Sonderaudit und intensiver Überwachung des Dienstleisters. Bei wiederholten kleineren Verstößen (etwa ständig fehlende Sicherheitsnachweise, nicht geschulte neue Mitarbeiter) würde man zunächst Stufe 1 (Warnung und Nachschulung) wählen. Das Eskalationssystem muss hier mit den Arbeitssicherheits- und Notfallprozessen verzahnt sein. Wichtig ist auch: Bei Sicherheitsproblemen wird oft parallel der eigene HSE-Fachbereich (Health, Safety, Environment) eingebunden, um die Ursachen zu analysieren und geeignete Gegenmaßnahmen festzulegen. In extremen Fällen – etwa vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße – kann ein sofortiges Delisting gerechtfertigt sein, da der Auftraggeber das Risiko nicht weiter tragen darf.
SLA-Verletzungen und Leistungsdefizite: Im infrastrukturellen FM, wo Leistungen in Verträgen detailliert per Service Level Agreements festgelegt sind (z. B. Reinigungsgrad, Reaktionszeiten bei Störungen, Verfügbarkeiten), sind Messbarkeit und Vergleich Teil des Tagesgeschäfts. Dienstleister, die wiederholt KPIs verfehlen – etwa Reinigungsergebnisse unter dem vereinbarten Standard liefern, zugesagte Reaktionszeiten deutlich überschreiten oder hohe Ausfallraten beim Personal haben – fallen im Reporting schnell negativ auf. Einzelne geringfügige SLA-Verletzungen lassen sich meist bilateral klären, doch bei systematischen Abweichungen (z. B. monatlich schlechter Leistungsindex in einem Objekt) ist Eskalation angezeigt. Typische Problemfelder sind hier: unzureichende Personalausstattung (Leading zu ständiger Überlastung und somit Minderleistung), mangelhafte Ausbildung oder Motivation des eingesetzten Personals (resultierend in Qualitätsmängeln), oder ungenügende Steuerung des Dienstleisters vor Ort (fehlende Objektleiter, schwache Führung). Solche Defizite wirken sich meist direkt auf die Kundenzufriedenheit aus, was in FM-Vertragsbeziehungen kritisch ist. Die Eskalation startet oft, indem der FM-Vertragspartner schriftlich auf die SLA-Verfehlungen hingewiesen und zur Stellungnahme aufgefordert wird (Stufe 1). Bleibt eine Trendwende aus, können Vertragsstrafen eingesetzt werden und intensivere Treffen (bis hin zur Geschäftsführerebene) folgen (Stufe 2–3). In der Praxis sieht man bei großen FM-Dienstleistern manchmal, dass bestimmte Regionen oder Objekte intern auf Eskalationslisten gesetzt werden – z. B. „Objekt X in Eskalation, da SLA-Score < 80% seit drei Monaten“ – was dann konzernintern besondere Aufmerksamkeit und Ressourcen nach sich zieht, um die Kurve zu kriegen. SLA-Probleme führen nicht immer zum Delisting, zumal oft eine wirtschaftliche Abwägung stattfindet (ein neuer Dienstleister müsste erst gefunden und eingearbeitet werden). Aber ohne Gegensteuern können chronische SLA-Verletzungen langfristig zu Vertragsbeendigung oder Nichtverlängerung führen, da der FM-Anbieter gegenüber seinem Endkunden (Eigentümer, Mieter) sonst seine Leistungsschuld nicht erfüllt.
Kommunikations- und Kooperationsprobleme: Jenseits harter Leistungskennzahlen können auch weiche Faktoren die Zusammenarbeit mit Dienstleistern belasten. Dazu zählen schlechte Erreichbarkeit, intransparente Informationsweitergabe, das Zurückhalten relevanter Daten oder generell ein unreifes Beziehungsmanagement. Beispielsweise kann ein externer Serviceleister wichtige Vorfälle nicht zeitnah melden, was den Auftraggeber in Schwierigkeiten bringt, oder er zeigt sich uneinsichtig und defensiv bei Kritik. Solche Probleme erschweren die Partnerschaft auf Augenhöhe, die für erfolgreiches FM wichtig ist. Oft sind sie frühe Indikatoren für tieferliegende Schwierigkeiten (etwa unprofessionelle Unternehmensstruktur des Dienstleisters, hohe Fluktuation im Team, etc.). Ein Lieferant, der auf Stufe 1 angesprochen wird, aber keine Kooperationsbereitschaft zeigt – etwa vereinbarte Meetings sausen lässt oder Berichte nicht liefert – wird wahrscheinlich in Eskalationsstufe 2 bis 3 rasch scheitern, weil die Grundlage für gemeinsame Problemlösung fehlt. Daher sollten FM-Manager auch die Beziehungsebene monitoren, z. B. durch regelmäßige Feedback-Runden mit den Dienstleistern und ggf. Zufriedenheitsbefragungen bei den internen Kunden (Nutzer der Dienste). Kommunikationsprobleme kann man anfangs informell klären, aber wenn sie persistieren, müssen sie ebenfalls Teil des Eskalationsgesprächs sein: In einem Eskalationsworkshop (Stufe 3) wird dann z. B. gefordert, dass der Dienstleister einen neuen Ansprechpartner stellt oder seine Reporting-Prozesse verbessert.
Zusammenfassend lassen sich also viele Trigger für Eskalationen identifizieren – von qualitativen Mängeln (Wartungsfehler, Reinigungsqualität) über quantitative Nichterfüllung (nicht erreichte KPIs, Verzugszeiten) bis hin zu Compliance-Verstößen (Arbeitssicherheit, Dokumentationspflichten). Wichtig ist, dass das FM-Unternehmen im Rahmen seines Lieferantenbewertungssystems diese Signale erfasst. Hier leisten regelmäßige Lieferantenbewertungen und Performance-Reports wertvolle Dienste: Sie machen objektiv sichtbar, wo die Ampeln auf Gelb oder Rot springen. Ein systematisches Scoring der Dienstleister etwa hinsichtlich Qualität, Termineinhaltung, Sicherheit und Zusammenarbeit ist empfehlenswert. Unternehmen, die das praktizieren, können auffällige Lieferanten früh identifizieren und in Eskalation nehmen. In dem Sinne dient das Eskalationsmanagement letztlich auch dem Risikomanagement: Es schützt den Betreiber vor schlimmeren Folgen, indem Probleme nicht ausgesessen, sondern offensiv behandelt werden.
Organisatorische Maßnahmen für wirksames Eskalationsmanagement:
Damit ein Eskalations-Toolkasten in der Praxis wirklich greift, muss er in der Organisation verankert und gelebt werden.
Folgende organisatorische Vorkehrungen haben sich als wesentlich erwiesen:
Klare Prozessdokumentation: Ein FM-Unternehmen sollte einen schriftlich fixierten Eskalationsprozess besitzen, der allen Beteiligten bekannt ist. Darin sind die Eskalationsstufen, die Kriterien für den Stufenübergang, sowie die jeweils einzuleitenden Maßnahmen definiert. Dieser Prozess kann Teil des integrierten Managementhandbuchs (Qualitätsmanagement nach ISO 9001/41001) sein, sodass Auditoren und Kunden nachvollziehen können, wie das Unternehmen bei Lieferantenproblemen reagiert. Wichtig ist, dass der Prozess verbindlich ist: Sobald z. B. ein KPI unter einen gewissen Schwellwert fällt oder ein sicherheitsrelevanter Mangel auftritt, muss die Eskalation nach vorgeschriebenem Muster erfolgen. Nur so wird vermieden, dass Probleme aus Nachlässigkeit ignoriert werden. Zudem soll die Dokumentation Vorgaben zur De-Eskalation enthalten (wie kommt ein Lieferant wieder heraus?) und zur Rollenverteilung (wer ist verantwortlich in jeder Stufe?).
Definierte Zuständigkeiten und Gremien: Eskalationsmanagement erfordert personelle Verantwortung. Es hat sich bewährt, im Unternehmen feste Rollen zu verankern, etwa einen Supplier Quality Manager oder einen Vendor Performance Manager für das FM-Lieferantenmanagement. Diese Person (bzw. Team) überwacht laufend die Lieferantenperformance, bewertet Risiken und koordiniert bei Bedarf Eskalationen. Gleichzeitig müssen Eskalationen oft bereichsübergreifend behandelt werden: Bei schweren Fällen sollte ein Eskalationsteam einberufen werden, bestehend aus Vertretern des Einkaufs, des fachlich verantwortlichen FM-Bereichs, der Qualitätssicherung und ggf. der Rechtsabteilung. Dieses Team entscheidet dann gemeinsam über Eskalationsstufe und Maßnahmen – insbesondere bei Stufe 3 und 4, wo Geschäftsführungsentscheidungen nötig sind. Einige Firmen etablieren auch Eskalationsmeetings in regelmäßigen Abständen (z. B. monatlich), in denen alle laufenden Lieferanteneskalationen geprüft und gesteuert werden. Dadurch erhält das Top-Management einen Überblick und kann Prioritäten setzen. Wichtig ist ferner die Benennung eines Eskalationsführers je Fall – eine Person, die die Koordination übernimmt, alle Schritte nachhält und als zentraler Ansprechpartner fungiert, sowohl intern als auch zum Lieferanten hin.
Früherkennung und Monitoring: Ein wirksames Eskalationssystem hängt an der Frühzeitigkeit der Signale. Die Organisation muss sicherstellen, dass Schwächen eines Dienstleisters nicht erst bemerkt werden, „wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“. Dazu dienen technische Hilfsmittel wie CAFM-Systeme (Computer Aided Facility Management) mit integrierten Ticket- und Berichtssystemen. Beispielsweise können in einem FM-Tool automatisch Alerts generiert werden, wenn Wartungsarbeiten überfällig sind oder wenn ein KPI-Bericht unter dem Sollwert liegt. Ein Eskalationsmanagement-Modul in solcher Software erinnert zuständige Manager an ablaufende Fristen oder fehlgeleitete Entwicklungen, damit „zum richtigen Zeitpunkt über eine ablaufende Frist oder eine fehlgeleitete Entwicklung“ informiert wird. Neben Technik ist auch die Kultur der offenen Kommunikation wichtig: Mitarbeiter vor Ort (z. B. Objektmanager) müssen ermutigt werden, Probleme mit Dienstleistern intern zu eskalieren, statt sie stillschweigend selbst auszubügeln. Regelmäßige Schulungen können helfen, das Personal für Eskalationspfade zu sensibilisieren – z. B. wann ist der Punkt erreicht, an dem ich meinen Vorgesetzten einschalten muss? In einer guten Fehler- und Feedbackkultur gilt: Schlechte Nachrichten früh nach oben melden, nicht unterdrücken.
Management Commitment und Eskalationskultur: Eskalationsmanagement funktioniert nur, wenn das obere Management den Stellenwert erkennt und die nötige Rückendeckung gibt. In FM-Unternehmen, wo Kostendruck und Tagesgeschäft oft dominieren, kann die Versuchung bestehen, bei Lieferantenproblemen „nicht so genau hinzuschauen“, um z. B. Vertragsstrafen oder Mehraufwand zu vermeiden. Hier muss die Führung klar machen, dass Qualität und Sicherheit Vorrang haben und dass Eskalationen kein Versagen, sondern ein Steuerungsinstrument sind. Ein sichtbares Zeichen von Commitment ist, wenn Geschäftsleiter persönlich an Eskalationsgesprächen (Stufe 3) teilnehmen und somit dem Lieferanten signalisieren, wie ernst die Lage ist. Gleichzeitig sollte intern vermittelt werden, dass Eskalieren nicht „anschwärzen“ bedeutet, sondern der Lösung dient. Eine gewisse Konsequenz muss aber spürbar sein: Wenn Grenzen überschritten sind, darf das Management nicht aus falsch verstandener Rücksichtnahme zurückscheuen, auch drastische Schritte wie Vertragskündigungen zu gehen. Firmen, die hier zaudern, senden fatal falsche Signale sowohl an ihre eigenen Mitarbeiter als auch an andere Lieferanten. Umgekehrt motiviert ein konsequentes Vorgehen alle Dienstleister zu solider Arbeit, da klar ist, dass Leistungsversagen Folgen hat.
Kontingenzpläne und Redundanzen: Eine oft unterschätzte organisatorische Maßnahme ist die Schaffung von Alternativen. Ein Eskalationssystem kann nur dann maximal effektiv sein, wenn der Auftraggeber nicht in völliger Abhängigkeit von einem einzelnen Dienstleister steckt. Ist ein Lieferant ein absoluter Monopolist ohne Ersatzmöglichkeit, wird Eskalation zum stumpfen Schwert – man kann ihm drohen, aber letztlich weiß er, dass der Auftraggeber keine Wahl hat. Daher empfiehlt es sich, wo immer möglich, Mehrquellenstrategien im FM zu fahren oder zumindest Notfallpläne bereit zu halten. Beispielsweise kann man für kritische technische Anlagen Rahmenverträge mit zwei Servicefirmen haben, oder einen Pool freiberuflicher Techniker als Backup. Im infrastrukturellen Bereich (z. B. Reinigung, Security) kann man zwar gebietsweise ausschreiben, aber dennoch sollte man verhindern, dass ein Dienstleister 100% der Fläche betreut, sofern es Alternativen gibt. Die strategische Empfehlung lautet hier: Single Sourcing vermeiden, denn wenn ein Zulieferer kurzfristig ausfällt, muss schnell gehandelt werden, und Unternehmen ohne Zweitlieferanten haben dann das Nachsehen. Die Praxis zeigt, dass sich Eskalationsdrohungen sehr viel wirkungsvoller aussprechen lassen, wenn ein Plan B existiert. Zumindest sollten intern Ressourcen identifiziert werden, die im Notfall einspringen könnten (z. B. könnte das eigene Facility-Management-Team temporär Kernaufgaben übernehmen, bis ein neuer Dienstleister gefunden ist). Solche Überlegungen gehören zum Risikomanagement und sollten bereits in der Vertragsgestaltung mit berücksichtigt werden (Optionen für Übergangsphasen, Exit-Klauseln, Know-how-Transfer beim Wechsel etc.).
Dokumentation und Wissenstransfer: Jede Eskalation sollte akribisch dokumentiert werden – von der ersten Abmahnung bis zum Abschlussbericht. Zum einen ist dies nötig, um gegenüber dem Dienstleister die Vorfälle und Schritte belegen zu können (gerade im Streitfall). Zum anderen generiert es internes Wissen: Ein Eskalationsprotokoll hält fest, welche Ursachen identifiziert und welche Maßnahmen ergriffen wurden, und bewertet deren Wirksamkeit. Dieses Wissen kann dann in die Lieferantenbewertung und -auswahl künftig einfließen. Beispielsweise, wenn ein Dienstleister wegen systematischer Personalengpässe scheiterte, wird man bei zukünftigen Vergaben genauer auf Personalstärke und Rekrutierungskonzepte achten. Außerdem lassen sich Muster erkennen: Vielleicht zeigen mehrere Eskalationen ähnlich gelagerte Probleme (z. B. immer wieder mangelhafte Dokumentation bei verschiedenen Dienstleistern) – dann könnte dies auf ein strukturelles Problem hindeuten, das der Auftraggeber angehen sollte (etwa indem man die eigenen Anforderungen klarer kommuniziert oder im Vertrag strengere Doku-Pflichten aufnimmt). Schließlich ist Dokumentation auch für externe Audits wichtig: Ein zertifiziertes FM-Unternehmen nach ISO 41001 muss nachweisen, dass es aus Vorfällen lernt und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess hat. Ein gelebtes Eskalationsmanagement mit sauberer Dokumentation ist hierfür ein schlagender Beleg.
Besonderheiten im öffentlichen versus industriellen Sektor
Die oben skizzierten Prinzipien gelten im Kern sowohl für öffentliche Auftraggeber (z. B. kommunales Facility Management, öffentliche Verwaltungen) als auch für Unternehmen der Privatwirtschaft (Industrie, Gewerbe).
Dennoch gibt es wesentliche Unterschiede in den Rahmenbedingungen, die das Eskalationsmanagement beeinflussen:
Vergaberechtliche Restriktionen: Öffentliche Auftraggeber unterliegen strengen Vergabegesetzen und Gleichbehandlungsgrundsätzen. Anders als ein Industrieunternehmen kann eine Behörde nicht ohne weiteres einen unbequemen Dienstleister ausschließen oder bevorzugt behandeln, da jede neue Auftragsvergabe transparent und diskriminierungsfrei erfolgen muss. Ein konsequentes Eskalationsmanagement ist dennoch möglich, aber es muss sich innerhalb der gesetzlichen Leitplanken bewegen. Konkret heißt das: Eine formelle Dienstleistersperre für zukünftige Ausschreibungen ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig – zum Beispiel wenn der Dienstleister nachweislich gravierende Mängel in der Auftragsausführung gezeigt hat, die eine Ausschlussbegründung nach § 124 GWB liefern (etwa erhebliche Schlechtleistung, die zu Kündigung oder Schaden führte). In allen anderen Fällen kann die öffentliche Hand jedoch zumindest eine Lieferantenbewertung durchführen und die Ergebnisse intern verfügbar machen. So lässt sich z. B. steuern, dass ein Anbieter mit schlechtem Score zwar nicht offiziell gesperrt, aber bei der nächsten Vergabe kritisch geprüft wird. Öffentliche Auftraggeber setzen vermehrt auf Lieferantencoaching anstatt harter Sanktionen: Die Deutsche Bahn etwa hat Lieferantenakademien eingerichtet, um ihre Anbieter zu schulen und zu entwickeln – ein Ansatz, der im Vergaberecht unproblematisch ist, da er alle gleich behandeln kann. Insgesamt ist im Public Procurement die Eskalation formalistischer: Mängelrügen und Fristsetzungen müssen gut dokumentiert und vertraglich fundiert sein, da etwaige Vertragsstrafen oder Kündigungen anfechtbar sind. Die Eskalationsstufen 1–3 wird ein öffentlicher Auftraggeber also mit besonderer Sorgfalt und juristischer Prüfung durchlaufen, ehe ein Delisting (Vertragskündigung und Ausschluss von Folgevergaben) vollzogen wird.
Leistungsumfang und Standardisierung: Ein weiterer Unterschied ist, dass in der öffentlichen Verwaltung ein Großteil des Beschaffungsbedarfs standardisierte Leistungen betrifft. Viele FM-Leistungen im öffentlichen Sektor (z. B. Gebäudereinigung für Schulen, Wartung von Standard-HLK-Anlagen) sind austauschbar und nicht spezifisch auf den einzelnen Auftraggeber zugeschnitten. Dies kann dazu führen, dass intensive Lieferantenentwicklungsprogramme seltener sind – man kauft eher „von der Stange“ und erwartet, dass der Dienstleister die Standards einhält. In der Industrie hingegen sind FM-Dienstleistungen oft individualisierter (z. B. Werksinstandhaltung in einer speziellen Produktionsanlage) und die Lieferanten sind enger ins Betriebsgeschehen integriert. Daher wird in der Industrie tendenziell mehr Wert auf langfristige Partnerschaften gelegt, und man investiert mehr in die Entwicklung einzelner Lieferanten. Eskalationsmanagement in der Industrie kann dadurch persönlicher und direkter ablaufen, weil man mit dem Dienstleister ggf. eine strategische Beziehung pflegt. Im öffentlichen Bereich bleibt die Beziehung formeller – der Dienstleister ist austauschbarer, was einerseits Eskalationen erleichtert (man kann bei Problemen eher den Anbieter wechseln, da viele am Markt sind), andererseits aber auch die Motivation senken kann, viel in einen bestimmten Anbieter zu investieren.
Kosten- vs. Qualitätsfokus: Öffentliche Haushalte stehen unter dem Primat der sparsamen Mittelverwendung. Beschaffungsentscheider in Verwaltungen achten häufig stärker auf die Kosten als auf weiche Qualitätsaspekte, da Ausgaben rechtfertigt werden müssen und Einsparungen politisch erwünscht sind. In der Industrie hingegen wird Einkauf als Teil der Wertschöpfung gesehen, der direkten Einfluss auf das Kerngeschäft hat. Diese Haltung beeinflusst das Eskalationsmanagement: In einer kostenfokussierten Umgebung kann es passieren, dass Probleme mit einem billig beauftragten Dienstleister eher toleriert werden, solange keine kritischen Schäden auftreten – man hat sich ja bewusst für den günstigsten Anbieter entschieden und „bekommt, wofür man zahlt“. In einer qualitätsfokussierten industriellen Umgebung ist die Bereitschaft höher, bei Qualitätsmängeln rigoros einzugreifen, auch wenn das Mehrkosten durch einen Anbieterwechsel verursacht, weil Ausfälle teurer wären als präventive Maßnahmen. Die öffentliche Hand beginnt allerdings, hier dazuzulernen: Das Bewusstsein wächst, dass billige Dienstleister teuer werden können, wenn ihre Leistung mangelhaft ist. Koinno (Kompetenzzentrum innovative Beschaffung) und andere raten öffentlichen Einkäufern, Lebenszykluskosten und Qualitätskriterien stärker zu gewichten, was indirekt das Eskalationsmanagement stärkt – denn wenn Qualität ein offizielles Zuschlagskriterium ist, hat man mehr Hebel, bei Nicht-Qualität einzugreifen.
Transparenz und Rechenschaft: Schließlich unterliegen öffentliche FM-Aufträge oft einer stärkeren öffentlichen und politischen Beobachtung. Eskalationen – zum Beispiel der Abzug eines Dienstleisters wegen Schlechtleistung in einem städtischen Gebäudereinigungsvertrag – können politisches Echo auslösen (Fragen von Stadträten, Medienberichte). Daher müssen öffentliche FM-Manager sehr darauf achten, Eskalationen sauber zu begründen und kommunikativ zu begleiten. Es empfiehlt sich, intern Leitlinien für Krisenkommunikation zu haben, falls ein Dienstleisterwechsel ansteht, der externe Aufmerksamkeit erregen könnte. In der Industrie ist man hierin freier und agiert unter Ausschluss der Öffentlichkeit; der Schwerpunkt liegt dort eher auf geschäftlicher Kontinuität und minimaler Störung des Betriebs bei einem Lieferantenwechsel.