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Die Überlastungsanzeige im Fremdfirmenmanagement

Facility Management: Fremdfirmenmanagement » Grundsätze » Koordinierungspflichten » Überlastung

Die Überlastungsanzeige im Fremdfirmenmanagement

Die Überlastungsanzeige im Fremdfirmenmanagement

Die Überlastungsanzeige – auch Gefährdungsanzeige oder Entlastungsanzeige genannt – ist die schriftliche Mitteilung eines Arbeitnehmers an den Vorgesetzten oder Arbeitgeber, dass eine übermäßige Arbeitsbelastung vorliegt, die zu Schäden führen kann. Anders als der Begriff vermuten lässt, geht es nicht um persönliche Schwäche, sondern um einen Warnhinweis auf drohende Gefahren für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Im industriellen Umfeld – insbesondere beim Einsatz von Fremdfirmen (Auftragnehmern) – gewinnt die Überlastungsanzeige besondere Bedeutung. Technische Sachbearbeiter, die Fremdfirmen koordinieren, tragen hohe Verantwortung für Arbeitssicherheit und Organisation. Ihre Führungskräfte wiederum müssen eine angemessene Aufgabenverteilung sicherstellen, da Überlastung einzelner Mitarbeiter gravierende Folgen haben kann. Zusammengefasst erfüllt die Überlastungsanzeige eine doppelte Funktion: Präventiv schützt sie Leib, Leben und Sachgüter, indem sie Gefahrenlagen offenlegt, bevor Schlimmeres geschieht. Rechtlich schützt sie den Anzeigenden, indem sie Pflichterfüllung dokumentiert und Haftung auf den Bereich des Arbeitgebers bzw. der Unternehmensorganisation verlagert. Damit ist sie Ausdruck eines modernen Verständnisses von Arbeitsschutz-Compliance: Transparenz über Grenzen der Belastbarkeit, gemeinsames Gegensteuern bei Risiken und eine Kultur, in der das Ansprechen von Überlastung nicht als Schwäche, sondern als aktiver Beitrag zur Sicherheit gewertet wird.

Technische Sachbearbeiter und Aufsichtspersonen haben nicht nur das Recht, Überlastungssituationen anzuzeigen – in kritischen Situationen sind sie sogar rechtlich dazu verpflichtet, um ihrer Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit gerecht zu werden. Ihre Führungskräfte wiederum trifft die Pflicht, solche Warnungen ernst zu nehmen und die Arbeitsorganisation entsprechend anzupassen. Sämtliche betrachteten Rechtsnormen – vom ArbSchG über das BGB bis hin zu Strafgesetzen – verfolgen einen gemeinsamen Zweck: Schäden vorbeugen, bevor sie eintreten. Die Arbeitsschutzvorschriften (§§ 15, 16 ArbSchG, DGUV V1) verpflichten Arbeitnehmer zur Eigen- und Fremdvorsorge und zur unverzüglichen Meldung erheblicher Gefahren. Eine Überlastungsanzeige ist Ausdruck genau dieser Pflichterfüllung – sie verknüpft die individuelle Überforderung mit dem betrieblichen Gefahrenschutz. Arbeitgeberseitig besteht die Pflicht, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Überlastungen vermieden werden (§ 618 BGB; § 3 ArbSchG; § 3 ArbStättV). Wird dennoch Überlastung angezeigt, ist rasches Handeln geboten, um Organisationsmängel zu beheben und Haftungsrisiken zu vermindern. Unterlassene oder verspätete Anzeigen können zu erheblichen Haftungstatbeständen führen. Zivilrechtlich drohen dem Arbeitnehmer bei schweren Folgefehlern Schadensersatzansprüche (insb. bei grober Fahrlässigkeit) und dem Arbeitgeber im Außenverhältnis erhebliche Schadenersatzpflichten wegen Organisationsverschuldens.

Überlastungsanzeige als präventives Steuerungsinstrument

Arbeitsschutzrechtliche Grundlagen der Überlastungsanzeige

Eine Überlastungsanzeige fußt auf mehreren arbeitsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Normen, welche die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern, Führungskräften und Beschäftigten regeln. Zentral sind hier das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), einschlägige Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften (insb. DGUV Vorschrift 1, früher BGV A1), das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie Verordnungen wie die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Sie bilden gemeinsam das Fundament dafür, dass Arbeitnehmer Überlastungen anzeigen können und müssen, um Gefahren vorzubeugen.

Pflichten des Arbeitgebers: § 618 BGB, § 3 ArbSchG, § 3 ArbStättV

Ausgangspunkt ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet den Dienstherrn, Arbeitsräume, -geräte und Abläufe so zu gestalten, dass der Dienstverpflichtete vor Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt ist, soweit es die Natur der Dienstleistung erlaubt. Dieses zivilrechtliche Gebot wird im öffentlichen Recht durch § 3 Abs. 1 ArbSchG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber “erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes” zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten. Er muss die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen und sie an veränderte Gegebenheiten anpassen. Insbesondere ist eine fortlaufende Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz anzustreben.

Wesentlich ist dabei eine angemessene Organisation des Arbeitsschutzes. Das Gesetz verlangt u. a. Gefährdungsbeurteilungen und die Bereitstellung geeigneter Mittel und Expertise (Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt). Entsprechend hat der Arbeitgeber auch organisatorisch Vorsorge zu treffen, Überlastungen der Beschäftigten zu vermeiden: Nach § 278 BGB muss sich der Arbeitgeber Fehler von Erfüllungsgehilfen wie eigene Verschulden zurechnen lassen (Organisationsverschulden). Daraus folgt die Pflicht, eine geordnete, fehlertolerante Arbeitsorganisation zu schaffen, in der Überlastungsbedingte Fehler nach Möglichkeit ausgeschlossen sind. Bleiben organisatorische Mängel (z. B. Personalknappheit, unklare Zuständigkeiten) unbehoben und kommt es dadurch zu Schäden, haftet der Arbeitgeber wegen Verletzung dieser Pflichten.

Auch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) unterstreicht die Verantwortung des Arbeitgebers, Gefährdungen durch Arbeitsorganisation und -belastung zu verhindern. § 3 ArbStättV schreibt vor, dass der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die Auswirkungen der Arbeitsorganisation und der Arbeitsabläufe berücksichtigt. Insbesondere sind physische und psychische Belastungen der Beschäftigten zu ermitteln und zu beurteilen. Dieser Passus macht deutlich, dass eine chronische Überlastung als Gefährdungsfaktor ernst zu nehmen ist. Ergeben sich aus der Beurteilung Überlastungsgefahren (z. B. durch dauerhaftes Arbeiten “am Limit”), müssen entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden – etwa personelle Verstärkung, Umverteilung von Aufgaben oder organisatorische Änderungen. Unterlässt der Arbeitgeber dies, verstößt er gegen § 3 ArbStättV und damit gegen seine aus ArbSchG und BGB resultierenden Pflichten, für eine gefahrenfreie Arbeitsumgebung zu sorgen.

Pflichten der Beschäftigten: § 15 und § 16 ArbSchG, DGUV-Vorschrift 1 (BGV A1)

Arbeitsschutz ist ein gegenseitiger Prozess: Nicht nur der Arbeitgeber, auch die Beschäftigten haben gesetzliche Pflichten. § 15 ArbSchG verpflichtet Arbeitnehmer, “nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers” für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit Sorge zu tragen und auch die Sicherheit anderer Personen nicht zu gefährden. Konkret bedeutet dies, dass Beschäftigte die Arbeitsschutzmaßnahmen des Arbeitgebers unterstützen und Schutzvorschriften einhalten müssen. Parallel dazu normiert § 15 DGUV Vorschrift 1 (“Grundsätze der Prävention”, vormals BGV A1) die Unterstützungspflichten der Versicherten: Beschäftigte haben alles Notwendige beizutragen, damit Arbeitsunfälle und Gesundheitsgefahren verhütet werden. Sie müssen Weisungen des Unternehmers befolgen, dürfen jedoch erkennbar sicherheitswidrige Anweisungen nicht ausführen. Diese Regelung ist wichtig: Weist ein Vorgesetzter etwa an, trotz offensichtlicher Überlastung eine gefährliche Tätigkeit ohne ausreichende Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, ist der Beschäftigte berechtigt und verpflichtet, diese Anweisung wegen Gefährdung abzulehnen. Das Unterlassen gebotener Handlungen – etwa das Versäumen, auf notwendige Sicherheitsmaßnahmen hinzuwirken – wird als Pflichtverletzung des Beschäftigten gewertet.

Eine der wichtigsten speziellen Pflichten der Arbeitnehmer ist die Meldepflicht bei Gefahren. § 16 Abs. 1 ArbSchG verlangt, dass Beschäftigte “jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit” unverzüglich dem Arbeitgeber oder zuständigen Vorgesetzten melden. Gleichlautend fordert § 16 DGUV V1, erkannte erhebliche Gefahren oder Mängel an Sicherheitseinrichtungen sofort anzuzeigen. Diese Pflicht zur Gefahrenanzeige ist kein bloßer Formalismus, sondern essenzieller Teil des präventiven Arbeitsschutzes. Überlastungssituationen können solche Gefahrenlage darstellen – etwa wenn ein Mitarbeiter erkennt, dass er wegen übermäßiger Arbeitsmenge Sicherheitsstandards nicht mehr einhalten kann. Zwar definiert das Gesetz nicht exakt, ab wann eine Überlastung eine “unmittelbare erhebliche Gefahr” darstellt. Die Rechtsprechung betont jedoch, dass die subjektive Einschätzung des Beschäftigten maßgeblich ist. Der Arbeitnehmer darf und soll frühzeitig warnen, sobald er begründeten Verdacht hat, dass die Überlastung zu gefährlichen Zuständen führen könnte. Sinn und Zweck der Norm ist die Prävention: Lieber eine Gefahrmeldung “zu früh” als zu spät.

Folglich kann die Überlastungsanzeige selbst als Erfüllung der Pflichten aus § 16 ArbSchG verstanden werden. In der Praxis werden Überlastungsanzeigen oft gleichgesetzt mit Gefährdungsanzeigen. So hielt etwa das Arbeitsgericht Göttingen fest, dass eine Krankenschwester ihre arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt hat, als sie eine Gefährdungsanzeige wegen Personalmangels schrieb – im Gegenteil entsprach dies § 16 ArbSchG. Die Meldepflicht ist hier also nicht nur ein Recht, sondern eine Rechtspflicht des Beschäftigten. Ignoriert ein Arbeitnehmer offensichtliche Überlastungsgefahren und meldet sie nicht, kann ihm ein Verstoß gegen diese Pflichten vorgeworfen werden. Die Überlastungsanzeige bildet somit den formalen Weg, wie Beschäftigte ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht im Arbeitsschutz nachkommen, um vorhersehbare Schäden abzuwenden.

Zivilrechtliche Konsequenzen bei unterlassener oder verspäteter Überlastungsanzeige

Eine nicht oder zu spät erstattete Überlastungsanzeige kann erhebliche haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen. Hier sind zwei Ebenen zu unterscheiden: die innenrechtliche Haftung im Verhältnis Arbeitnehmer–Arbeitgeber (inklusive arbeitsrechtlicher Sanktionen) und die außenrechtliche Haftung gegenüber geschädigten Dritten. Beide Bereiche können betroffen sein, wenn durch eine unbehandelte Überlastung ein Schaden entsteht – etwa ein Arbeitsunfall, Sachschaden oder Qualitätsmangel.

Arbeits- und zivilrechtliche Haftung im Innenverhältnis

Im Verhältnis zum Arbeitgeber besteht für Arbeitnehmer grundsätzlich eine Treuepflicht, Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden. Unterlässt ein Mitarbeiter die gebotene Warnung vor absehbaren Schäden, kann dies als Vertragsverletzung gewertet werden. Zwar sieht § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz bei Pflichtverletzung grundsätzlich vor, doch im Arbeitsrecht greift zugunsten des Arbeitnehmers ein Haftungsprivileg: Für einfache Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer intern meist nicht, bei mittlerer Fahrlässigkeit nur anteilig (Richterrecht zum innerbetrieblichen Schadensausgleich). Jedoch grob fahrlässiges Verhalten oder Vorsatz führen zur vollen Arbeitnehmerhaftung. Wenn ein Beschäftigter trotz offensichtlicher Überforderung keine Anzeige erstattet und es dadurch zu einem schweren Fehler oder Unfall kommt, könnte ihm grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Die unterlassene Überlastungsanzeige wiegt umso schwerer, wenn der Arbeitnehmer seine Überforderung kannte und die daraus resultierende Gefahr billigend in Kauf nahm. In solchen Extremfällen sind arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung denkbar. Regelmäßig wird jedoch ein Mitverschulden des Arbeitgebers an der Überlastung zu berücksichtigen sein.

Im Falle eines Schadenseintritts kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mitverschulden (§ 254 BGB) anlasten, wenn dieser es versäumt hat, rechtzeitig auf die Überlastung hinzuweisen. Beispielsweise: Ein technischer Sachbearbeiter macht einen kostspieligen Fehler, weil ihm zu viele Projekte gleichzeitig übertragen wurden. Hat er vorher nie auf die Überlastung aufmerksam gemacht, könnte der Arbeitgeber bei Schadensersatzforderungen argumentieren, der Mitarbeiter habe seine Überlastung mitverschuldet, indem er die Warnpflicht verletzt hat. Umgekehrt kann eine ordnungsgemäß dokumentierte Überlastungsanzeige den Mitarbeiter entlasten. Sie wirkt wie ein „Haftungsairbag“: Der Beschäftigte hat seine Warnpflicht erfüllt und den Arbeitgeber in Kenntnis gesetzt. Kommt es dennoch zum Schaden, tritt die Haftung regelmäßig auf den Arbeitgeber bzw. das Organisationsverschulden über. Die Überlastungsanzeige dient damit der Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers für Fälle von Überlastungsschäden.

Zudem besitzen Arbeitnehmer ein Entfernungsrecht bezüglich zu Unrecht erteilter Abmahnungen (§§ 242, 1004 BGB analog). Sollte ein Mitarbeiter wegen einer Überlastungsanzeige gemaßregelt werden – etwa durch eine Abmahnung oder Versagung einer Prämie – stehen ihm Rechtsschutzmöglichkeiten offen. So entschied das Arbeitsgericht Göttingen, dass eine Abmahnung, die allein auf der (zulässigen) Gefährdungsanzeige einer Pflegekraft beruhte, unrechtmäßig ist und aus der Personalakte zu entfernen sei. Die Anzeige einer Gefährdung stellt nämlich keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, sondern deren Erfüllung. Arbeitgeber dürfen Beschäftigte daher nicht dafür bestrafen, dass sie Überlastungssituationen melden – ein solches Vorgehen wäre rechtswidrig und untergräbt die Arbeitsschutzkultur im Betrieb. Im Gegenteil: Die Rechtsordnung fordert vom Arbeitnehmer proaktives Handeln zur Gefahrenabwehr, was durch das Institut der Überlastungsanzeige kanalisiert wird.

Haftung gegenüber Dritten und deliktische Ansprüche

Noch gravierender können die Folgen außerhalb des direkten Arbeitsverhältnisses sein, nämlich gegenüber Drittgeschädigten. Hier kommt insbesondere die deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Verletzt ein Arbeitnehmer durch Unterlassen einer gebotenen Handlung ein Rechtsgut eines Dritten (z. B. Leben, Gesundheit oder Eigentum), so kann er theoretisch persönlich auf Schadensersatz haften. Ein typisches Beispiel: Ein überlasteter technischer Aufsichtsführer übersieht aufgrund der Arbeitsfülle eine sicherheitskritische Situation, die zu einem Unfall mit Personenschaden führt. Wurde keine Überlastungsanzeige erstattet, könnte der Geschädigte argumentieren, der Mitarbeiter habe fahrlässig seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Allerdings sind in solchen Konstellationen die Hürden hoch: Zum einen schützt das Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß §§ 104 ff. SGB VII den Arbeitnehmer vor zivilen Ansprüchen eines Kollegen (der bei einem Arbeitsunfall verletzt wurde) – außer bei Vorsatz. Zum anderen greifen im Verhältnis zu externen Dritten oft die Haftung des Unternehmens und die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Dennoch bleibt festzuhalten: Soweit einem Arbeitnehmer eine Garantenstellung für den Schutz bestimmter Rechtsgüter Dritter zukommt, kann ein haftungsbegründendes Unterlassen vorliegen (vgl. § 823 Abs. 1 i.V.m. § 13 StGB für die Pflichtwidrigkeit, dazu sogleich im strafrechtlichen Teil).

Aus Unternehmenssicht drohen ebenfalls Konsequenzen. Werden durch eine unterlassene Gefahrenmeldung Dritte geschädigt (z. B. ein Auftragnehmer erleidet einen Unfall, weil der überlastete Koordinator keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen treffen konnte), haftet in der Regel der Arbeitgeber bzw. das Unternehmen. Der Arbeitgeber kann zwar versuchen, den Arbeitnehmer im Innenverhältnis in Regress zu nehmen; aufgrund der genannten Haftungsbeschränkungen im Arbeitsrecht gelingt dies aber nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Weitaus bedeutender ist dann die Außenhaftung des Unternehmens aus Organisationsverschulden (§ 823 BGB analog in Verbindung mit § 831 BGB oder § 278 BGB). Eine nicht bearbeitete Überlastungsanzeige kann als Beleg dafür dienen, dass der Arbeitgeber bewusst personelle Engpässe hingenommen hat. Wenn ein Gericht feststellt, dass ein Unfall auf mangelnde Organisation (etwa unzureichende Personalausstattung trotz Warnungen) zurückzuführen ist, haftet der Arbeitgeber voll für den Schaden. Zudem könnte die Berufsgenossenschaft bei Arbeitsunfällen Regress beim Unternehmen nehmen, falls dieses grob fahrlässig gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen hat (z. B. vorsätzliche Unterbesetzung sicherheitsrelevanter Posten).

Es mindert eine Überlastungsanzeige die zivilrechtliche Haftungsgefahr des einzelnen Beschäftigten erheblich. Sie dokumentiert die Gefahrenkenntnis und verlagert die Verantwortung für Abhilfe auf den Arbeitgeber. Umgekehrt begründet das Unterlassen der Anzeige ein mögliches Mitverschulden des Beschäftigten und lässt im Schadensfall den Vorwurf zu, er habe seine Warnpflicht verletzt. Arbeitnehmer tun daher gut daran, Überlastung nicht stillschweigend zu erdulden, sondern diese – möglichst schriftlich – anzuzeigen, um sich selbst abzusichern.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Überlastung und Unterlassen

Neben zivilrechtlichen Folgen kann ein Versäumnis, Überlastungsgefahren anzuzeigen oder abzustellen, auch strafrechtliche Verantwortung begründen. Im Fokus steht hier die Garantenstellung bestimmter Personen und die daraus resultierende Strafbarkeit durch Unterlassen (§ 13 StGB). Sowohl technische Sachbearbeiter in sicherheitsrelevanten Funktionen als auch ihre Vorgesetzten können unter bestimmten Umständen als Garanten für den Schutz von Rechtsgütern auftreten. Verletzt eine überlastete Person ihre Sorgfaltspflichten und führt dies zu Todesfällen oder Gesundheitsschäden, drohen insbesondere Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) oder fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB).

Strafbarkeit von technischen Aufsichtsführenden (Garantenstellung des Sachbearbeiters)

Technische Sachbearbeiter, die im Betrieb mit Aufsichtsfunktionen betraut sind – etwa Sicherheitsingenieure, Werkstattmeister oder Fremdfirmen-Koordinatoren – übernehmen häufig eine überwachte Schutzpflicht. Durch Übertragung von Betreiber- oder Aufsichtspflichten (siehe dazu Kapitel V) werden sie zu Garanten für die Unversehrtheit bestimmter Rechtsgüter (Leben, Gesundheit der unterstellten Beschäftigten oder der Kollegen). Ein Garant nach § 13 StGB muss rechtlich dafür einstehen, dass ein tatbestandsmäßiger Erfolg (z. B. ein Unfall) nicht eintritt. Kommt es dennoch zum Erfolg, kann das Unterlassen wie ein aktives Tun bestraft werden.

Im Kontext der Überlastung bedeutet dies: Ist ein Arbeitnehmer z. B. als Sicherheitsaufsichtsperson bestellt und bemerkt, dass er aufgrund von Arbeitsüberlastung sicherheitsrelevante Aufgaben nicht erfüllen kann, muss er reagieren. Unterlässt er dies, obwohl er die Gefahr erkennt, kann bei einem Unglücksfall der Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen (§§ 222, 13 StGB) oder fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 229, 13 StGB) im Raum stehen. Entscheidend ist, dass der Betroffene eine rechtliche Pflicht zum Handeln hatte. Diese kann sich aus Gesetz, Übernahme von Gewährsfunctions oder auch aus Ingerenz ergeben. Eine Übernahme ergibt sich etwa aus der Rolle als “Aufsichtführender” im Sinne der Unfallverhütungsvorschriften (dazu gleich).

Beispiel: Ein Anlageningenieur ist beauftragt, Wartungsarbeiten einer Fremdfirma auf einem Werksgelände zu überwachen. Er weiß, dass er gleichzeitig für mehrere Baustellen verantwortlich ist und unmöglich überall sein kann – was er seinem Vorgesetzten jedoch nie offiziell mitgeteilt hat. Gerät ein Fremdarbeiter in seiner Abwesenheit in eine offene Maschine und verunglückt tödlich, kann die Staatsanwaltschaft prüfen, ob der Ingenieur seine Überwachungspflicht strafrechtlich relevant verletzt hat. Hätte er die Überforderung rechtzeitig angezeigt oder um Arbeitsentlastung gebeten, wäre der Unfall womöglich verhindert oder die Verantwortung neu verteilt worden. Ohne Überlastungsanzeige jedoch steht er im Fokus als möglicher pflichtwidrig Untätiger. Es käme darauf an, ob ihm die konkrete Gefahr bewusst und ein Eingreifen objektiv möglich gewesen wäre. Im Zweifel wird auch die Überlastung selbst in die Bewertung einfließen: War die Arbeitsorganisation so mangelhaft, dass dem Einzelnen ein pflichtgemäßes Handeln gar nicht zumutbar war? Hier zeigt sich erneut die Schutzfunktion der Überlastungsanzeige – sie schafft im Vorfeld Klarheit über Überforderungszustände.

Zu beachten ist, dass im Strafrecht für Fahrlässigkeitsdelikte die individuelle Schuld des Täters betrachtet wird. Ein dauerhaft überforderter Arbeitnehmer könnte einwenden, er habe subjektiv nicht mehr erkennen können, was erforderlich war, oder sei schlicht nicht mehr handlungsfähig gewesen. Doch solche Entschuldigungsgründe greifen selten. Wer eine wichtige Schutzposition innehat, muss gegebenenfalls “die Reißleine ziehen”, d. h. seine Überforderung anzeigen oder Aufgaben niederlegen, statt sehenden Auges ins Verderben laufen. Das Unterlassen der Anzeige kann als Indiz gewertet werden, dass der Betroffene die Risiken unterschätzt oder billigend hingenommen hat. Entsprechend streng haben Gerichte etwa im Bereich hochriskanter Arbeiten (z. B. im Bauwesen oder Anlagenbetrieb) reagiert, wenn Verantwortliche ihre Pflichten vernachlässigten.

Strafbarkeit von Führungskräften und Betriebsleitung (Organisationsverantwortung)

Auch Führungskräfte bis hin zur Unternehmensleitung unterliegen strafrechtlichen Sorgfaltspflichten. Sie sind zwar häufig nicht unmittelbar am Ort des Geschehens, tragen aber die Organisationsverantwortung. Aus § 130 OWiG (Ordnungswidrigkeit – Aufsichtspflichtverletzung) ergibt sich zunächst eine Bußgeldhaftung für Betriebsinhaber, die erforderliche Aufsichtsmaßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverstößen im Betrieb unterlassen. Zu diesen erforderlichen Maßnahmen zählt ausdrücklich die sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen. Wird also eine sicherheitskritische Aufgabe delegiert, muss der Vorgesetzte sicherstellen, dass der Beauftragte fachkundig und leistungsfähig genug ist und darf ihn mit der Aufgabe nicht überfordern.

Im Strafrecht greift bei größeren Betrieben § 14 StGB: Handelt ein vertretungsberechtigtes Organ (z. B. Geschäftsführer) pflichtwidrig, kann die Strafbarkeit auf ihn persönlich erstreckt werden. In Kombination mit § 13 StGB bedeutet dies, dass Unternehmensverantwortliche ebenfalls als Garanten haften können. Typischerweise sind dies Garantiestellungen kraft Organisation oder Verkehrssicherung. Ein Betriebsleiter, der wissentlich eine überlastende Personalplanung aufrechterhält und keine Maßnahmen ergreift, nimmt billigend in Kauf, dass es zu Unfällen kommt. Stirbt infolgedessen ein Mitarbeiter oder Auftragnehmer, können Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung auch den Leiter treffen – selbst wenn er nicht vor Ort war. Seine Unterlassung besteht in der Nichteinhaltung seiner Organisationspflichten.

In der Praxis ergeben sich solche Verantwortlichkeiten oft gestuft: Der oberste Leiter delegiert Pflichten an Untergebene (z. B. an Abteilungsleiter), die wiederum operative Verantwortliche einsetzen. Jeder in dieser Kette kann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er seinen zumutbaren Beitrag zur Gefahrenabwehr nicht leistet. Ein klassisches Beispiel sind Arbeitsunfälle durch mangelhafte Aufsicht: Ein Bauunternehmer überträgt die Sicherheitsaufsicht einem Polier, kontrolliert aber weder dessen Eignung noch seinen Arbeitsumfang. Wenn der Polier überlastet ist und ein tödlicher Unfall passiert, ermittelt die Staatsanwaltschaft regelmäßig gegen beide – den Polier (für mögliches individuelles Versagen) und den Unternehmer (für mögliches Organisationsverschulden).

Die Überlastungsanzeige ist hier ein wichtiges Signal: Erstattet ein Aufsichtsführender eine Anzeige und nichts passiert, verschiebt sich die Verantwortlichkeit in Richtung der höheren Führungsebene. Ignoriert die Führung eine solche Meldung, kann dies im Strafverfahren als grober Pflichtverstoß der Leitung ausgelegt werden. Im Umkehrschluss kann eine ordnungsgemäße Reaktion – etwa sofortige Entlastung des Mitarbeiters, Anpassung der Arbeitsorganisation – strafmildernd wirken oder von vornherein den Tatbestand entfallen lassen, weil dann keine Sorgfaltspflichtverletzung mehr vorliegt. Daher ist Führungskräften dringend anzuraten, Überlastungsanzeigen ernst zu nehmen und umgehend Abhilfe zu schaffen, um sich nicht dem Vorwurf des bewussten Pflichtenverstoßes auszusetzen.

Es zeigt das Strafrecht im Bereich des Arbeitsschutzes eine klare Tendenz: Die Verantwortlichen müssen proaktiv Gefahren begegnen. Überlastung wird dabei als möglicher Unfallfaktor anerkannt. Werden offensichtliche Überlastungen nicht gemeldet oder nicht abgestellt, können im Ernstfall nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Sanktionen folgen – bis hin zur persönlichen Strafbarkeit von Mitarbeitern und Managern für die durch Überlastung verursachten Unfälle.

Verantwortung von Führungskräften bei Delegation und Organisation (Betreiberpflichten)

Die sichere Organisation von Arbeit ist insbesondere in großen Industrieunternehmen eine Führungsaufgabe. Gesetzlich ist anerkannt, dass eine einzelne Person (etwa der Unternehmensinhaber) praktisch nicht alle Pflichten selbst erfüllen kann. Daher besteht die Möglichkeit zur Delegation von Pflichten an geeignete Personen (vgl. § 13 ArbSchG zur Übertragung von Arbeitgeberpflichten). Doch mit der Delegation geht nicht die Gesamtverantwortung verloren – Führungskräfte müssen weiterhin für eine funktionierende Überwachungsstruktur sorgen. Dies ist zentral für das Fremdfirmenmanagement, wo häufig Aufgaben an externe Dienstleister ausgelagert werden und interne Verantwortliche als Schnittstelle fungieren.

Pflichtenübertragung und Auswahl geeigneter Beauftragter

Die Übertragung von sog. Betreiberpflichten (etwa Wartungspflichten, Sicherheitsaufsicht über Anlagen, Einhaltung von Vorschriften) auf Mitarbeiter bedarf der Sorgfalt. Nach allgemein anerkannten Grundsätzen – gestützt auf § 130 OWiG – muss der Delegierende den Beauftragten sorgfältig auswählen, ihm die notwendigen Befugnisse und Mittel an die Hand geben und seine Tätigkeit angemessen überwachen. Eine fehlerhafte Delegation (an unzuverlässige oder überforderte Personen) wird dem Vorgesetzten als eigenes Versäumnis zugerechnet.

Gerade technische Sachbearbeiter im industriellen Bereich erhalten oft schriftliche Bestellung als verantwortliche Personen (z. B. als Anlagenbetreiber, SiGeKo – Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator auf Baustellen, oder als Betriebsbeauftragte für bestimmte Rechtsgebiete). Mit dieser Bestellung sind detaillierte Pflichten verbunden, die aus Gesetzen, Verordnungen oder Unfallverhütungsvorschriften folgen. Die vorgesetzte Führungskraft muss sicherstellen, dass der Betroffene diese Pflichten kennen und erfüllen kann.

Hier kommt die Überlastungsanzeige ins Spiel: Sie dient als Rückmeldung aus der Delegationskette. Signalisiert ein Beauftragter durch eine Überlastungsanzeige, dass er seine Aufgaben nicht mehr bewältigen kann, ist dies ein Warnschuss an die Führung. Erfolgt keine Korrektur, spricht vieles für ein Organisationsverschulden des Vorgesetzten. Der Gesetzgeber will durch Normen wie § 13 ArbSchG (Pflichtenübertragung) sicherstellen, dass Verantwortung klar zugewiesen und ausführbar ist. In der juristischen Literatur wird betont, dass Pflichtenübertragung stets die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Beauftragten berücksichtigen muss – “Wer delegiert, muss kontrollieren oder haften.” Trägt eine Führungskraft also mehr Aufgaben auf, als der Mitarbeiter sicher erledigen kann, läuft sie Gefahr, selbst für entstehende Schäden einzustehen.

Ein präventives Führungsinstrument ist die Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbelastung. Vorgesetzte sollten regelmäßig prüfen, ob ihre Mitarbeiter überlastet sind – etwa durch Auswertung von Arbeitszeiten, Krankheitstagen oder Überstunden. Zudem können sie die Mitarbeiter anhören oder mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG räumt dem Betriebsrat bei Regelungen über Arbeitsbelastung ein Mitbestimmungsrecht ein). Wird eine Überlastungsanzeige gestellt, ist die Führung verpflichtet, unverzüglich die Ursache zu untersuchen und Abhilfemaßnahmen einzuleiten. Betriebsvereinbarungen sehen teils vor, dass Vorgesetzter und Betriebsrat gemeinsam die Situation bewerten und Maßnahmen (etwa Umverteilung von Aufgaben, Einstellung weiteren Personals, Änderung von Abläufen) veranlassen. Dieses Zusammenwirken entspricht dem Leitbild des kooperativen Arbeitsschutzes.

Aufsichtspflicht und Organisationsverschulden (§ 130 OWiG)

Wie bereits bei den strafrechtlichen Aspekten angeklungen, spielt § 130 OWiG eine große Rolle für Führungskräfte. Diese Vorschrift sanktioniert die Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen. Eine Führungskraft – typischerweise der Unternehmensinhaber oder eine verantwortliche Managementperson – handelt ordnungswidrig, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich wären, um Verstöße gegen betriebliche Pflichten (mit Straf- oder Bußgeldandrohung) zu verhindern. Hierunter fällt etwa die Pflicht, für eine ausreichende personelle Überwachung gefährlicher Arbeiten zu sorgen. Insbesondere muss bei gefährlichen Tätigkeiten ein Aufsichtführender bestellt und für dessen ständige Präsenz bzw. erreichbare Vertretung gesorgt werden.

Wenn eine Führungskraft Warnsignale missachtet – z. B. Überlastungsanzeigen der nachgeordneten Sicherheitsfachleute – und es dadurch zu einem sicherheitswidrigen Zustand kommt, erfüllt dies u. U. den Tatbestand des § 130 OWiG. Die Behörde kann ein erhebliches Bußgeld verhängen. Ein Beispiel aus der Praxis: In einem Industriebetrieb ereignete sich ein schwerer Unfall, weil ein einzelner Sicherheitsingenieur für die Aufsicht mehrerer Baustellen gleichzeitig verantwortlich war und an einem Ort nicht eingreifen konnte. Trotz wiederholter Klagen über die Arbeitslast hatte die Leitung nichts geändert. Das Gewerbeaufsichtsamt wertete dies als Aufsichtspflichtverletzung der Geschäftsführung – eine Geldbuße nach § 130 OWiG war die Folge. Zusätzlich ermöglicht § 30 OWiG, in solchen Fällen auch gegen das Unternehmen selbst ein Bußgeld aufzuerlegen (Verbandsgeldbuße), da ein Leitungsorgan eine Pflichtverletzung begangen hat.

Organisationsverschulden im weiteren Sinne kann ebenfalls zivilrechtlich relevant werden (siehe zuvor Kapitel III.2). Für Führungskräfte bedeutet dies, dass eine dokumentierte Überlastungsanzeige im eigenen Verantwortungsbereich als Prüfstein dient: Wird sie ignoriert, indiziert dies organisatorisches Versagen. Umgekehrt kann eine prompte und angemessene Reaktion (Aufstocken des Personals, Neuzuweisung der Zuständigkeiten etc.) zeigen, dass die Führung ihren Aufsichtspflichten gerecht wird. Es liegt daher im ureigenen Interesse von Führungskräften, Überlastungsanzeigen ernst zu nehmen, um Haftungsrisiken (sowohl bußgeldrechtlich als auch zivilrechtlich) zu minimieren.

Es verlangt die Rechtsordnung von Führungskräften im Arbeitsschutz einen sorgsamen Balanceakt: Delegieren, aber nicht entziehen; übertragen, aber überwachen; belasten, aber nicht überlasten. Die Überlastungsanzeige ist ein Frühwarnsystem. Wird es ausgeschaltet oder ignoriert, drohen Konsequenzen von persönlichen Bußgeldern bis zu einer Zurechnung schwerer Unfälle.

Überlastungsanzeige im Fremdfirmenmanagement – Gefahren durch Auftragnehmer

Die Integration der Überlastungsanzeige in das Fremdfirmenmanagement ist ein besonders praxisrelevanter Aspekt. Fremdfirmenmanagement bezeichnet die Organisation und Überwachung von externen Auftragnehmern, die im Werk oder auf der Baustelle tätig sind. Hier treffen verschiedene Arbeitgeber aufeinander – der Auftraggeber (Werkbetreiber) und der Auftragnehmer (Fremdfirma) – was besondere Anforderungen an die Abstimmung der Arbeitsschutzmaßnahmen stellt. Überlastung kann in diesem Kontext sowohl die interne Koordination als auch die Überwachung externer Mitarbeiter betreffen.

Doppelverantwortung von Auftraggeber und Auftragnehmer

Rechtlich gilt: Beim Einsatz von Fremdfirmen obliegen die Arbeitsschutzpflichten beiden Seiten, dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber. Das ArbSchG schreibt in § 8 vor, dass mehrere Arbeitgeber am selben Arbeitsplatz zur Zusammenarbeit verpflichtet sind, um Sicherheit und Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Praktisch bedeutet dies, dass der Betreiber eines Industriegeländes sicherstellen muss, dass externe Firmen über die betriebsspezifischen Gefahren informiert sind und ihre Leute entsprechend unterwiesen und ausgerüstet haben. Umgekehrt muss der Fremdunternehmer die allgemeinen Schutzstandards einhalten und seine Beschäftigten überwachen. Diese verzahnte Verantwortung erfordert klare Absprachen.

Gemäß § 5 Abs. 3 DGUV Vorschrift 1 (“Grundsätze der Prävention”) ist der Auftraggeber verpflichtet, den Fremdunternehmer bei dessen Gefährdungsbeurteilung der örtlichen Gefahren zu unterstützen. Zudem muss er sicherstellen, dass Tätigkeiten mit besonderen Gefahren nur unter Aufsicht qualifizierter Personen erfolgen. Wichtig ist auch die Regelung, dass Auftraggeber und Auftragnehmer Einvernehmen darüber herstellen müssen, wer den Aufsichtführenden stellt. Dieser Koordinator überwacht die Arbeiten und die Einhaltung der Schutzmaßnahmen. Üblicherweise benennt man entweder einen eigenen Mitarbeiter als Fremdfirmenkoordinator oder vereinbart, dass der Polier/Vorarbeiter der Fremdfirma diese Rolle übernimmt. In jedem Fall muss eine ständig erreichbare und kompetente Aufsicht vorhanden sein.

Unklare Verantwortlichkeiten oder Lücken in der Überwachung können fatale Folgen haben: Nicht selten passieren Unfälle, weil alle Beteiligten annehmen, der jeweils andere kümmere sich um die Sicherheit. Ein klassischer Fall: Auf einem Werksgelände arbeiten gleichzeitig mehrere Fremdfirmen, ohne zentralen Koordinator. Es gibt Gefährdungen (z. B. Gefahrstoffe, Absturzrisiko), aber niemand fühlt sich zuständig, Warnschilder fehlen, Abläufe kollidieren. Hier liegt ein Organisationsversagen vor, für das der Auftraggeber haftbar sein kann. ArbSchG und DGUV Vorschriften verlangen daher eine proaktive Koordination.

Überforderung der Fremdfirmenkoordinatoren und Gefährdungsanzeigen

In großen Industrieanlagen wird häufig ein interner Fremdfirmenkoordinator bestellt, der sämtliche Auftragnehmer betreut – von der Unterweisung über die Erlaubniserteilung (z. B. Heißarbeitsscheine) bis zur Kontrolle der Arbeitsdurchführung. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll: Jeder Fremdarbeiter muss vor Arbeitsbeginn in die örtlichen Gefahren eingewiesen werden (§ 12 ArbSchG), die Gefährdungsbeurteilungen müssen abgestimmt werden, und insbesondere bei gefährlichen Arbeiten (Arbeiten in engen Räumen, Höhenarbeiten, elektrische Arbeiten etc.) muss der Koordinator oft persönlich anwesend sein oder zumindest stichprobenartig überwachen. Dabei betreut er möglicherweise zeitgleich mehrere Baustellen oder Gewerke.

Eine Überlastung des Fremdfirmenkoordinators ist nicht selten – z. B. wenn in Revision-Zeiten Dutzende von Fremdfirmen parallel tätig sind. Hier besteht hohes Unfallpotential: Kann der Koordinator nicht überall zugleich sein, könnten gefährliche Handlungen der Fremdfirmen unbeobachtet bleiben. Wenn ein einzelner Koordinator etwa 50 Fremdarbeiter gleichzeitig betreuen soll, ist dies objektiv kaum zu leisten. Überlastungsanzeigen sind daher im Fremdfirmenmanagement besonders wichtig. Der Koordinator kann (und muss) gegenüber seinem Vorgesetzten anzeigen, wenn die Fülle der Fremdfirmen oder Tätigkeiten die Grenzen der sicheren Überwachung überschreitet.

Eine solche Gefährdungsanzeige im Fremdfirmenmanagement sollte konkret benennen, welche Gefährdungen durch die Überlastung drohen: Beispielsweise, dass sicherheitskritische Eingriffe (Arbeiten an Gasleitungen, offenen Gruben, elektrischen Anlagen) nicht lückenlos beaufsichtigt werden können, wodurch Leben und Gesundheit der Fremdmitarbeiter in Gefahr sind. Dadurch wird formal die Verantwortung zurückgespielt an die Leitungsebene. Bleibt die Situation daraufhin unverändert und es kommt zu einem Unfall, liegt ein klarer Pflichtverstoß der Führung vor – man hatte Kenntnis der Überforderung und hat dennoch keine Maßnahmen (etwa Aufteilung der Koordination auf mehrere Personen) ergriffen.

Die Rechtsprechung zieht in solchen Fällen die Verantwortlichen beider Unternehmen zur Rechenschaft. Der Auftragnehmer hat zwar primär seine Leute zu schützen, aber der Auftraggeber wird wegen Verletzung der Auswahl- und Überwachungspflichten ebenfalls belangt. Beispielsweise wurde nach einem Absturz eines nicht gesicherten Dachdeckers auf einem Firmengelände sowohl gegen den Dachdeckermeister (Auftragnehmer) als auch gegen den Sicherheitsingenieur des Werks (Auftraggeberseite) ermittelt, weil Letzterer die Arbeiten nicht ausreichend koordiniert und überwacht hatte. Wäre er nachweislich mit der Betreuung weiterer riskanter Arbeiten befasst gewesen und hätte dies gemeldet, hätte man entweder die Arbeiten staffeln oder weitere Aufsichtspersonen einsetzen müssen.

Mangelhafte Steuerung von Fremdfirmen zeigt sich oft auch darin, dass Gefahrstoffe, Arbeitsbereiche oder Notfallmaßnahmen nicht abgestimmt sind. Wenn etwa mehrere Firmen gleichzeitig in einem Chemiebetrieb arbeiten und die eine zündet Funken während die andere mit Lösungsmitteln hantiert, kann das katastrophale Folgen haben. Ein überlasteter Koordinator, der diese Konflikte nicht erkennt, steckt in einer Zwickmühle: Er kann unmöglich alle Aktivitäten überwachen. Hier kann er sich nur durch eine Gefährdungsanzeige exkulpieren – also schriftlich festhalten, dass unter den gegebenen Umständen die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Tut er das nicht, droht ihm im Ernstfall persönliche Haftung und gar Strafverfolgung (wie oben dargelegt).

Ein Spezialfall sind unklare Verantwortlichkeiten: Wenn nicht eindeutig geregelt ist, wer die Aufsicht führt, fühlen sich schlimmstenfalls alle nicht zuständig. Deshalb fordert die DGUV Vorschrift 1 (und auch bspw. § 6 der Betriebssicherheitsverordnung bei gefährlichen Arbeiten) klare Zuordnung. Kommt es trotz unklarer Absprachen zu Zwischenfällen, wird nachträglich geprüft, wer von den Beteiligten hätte die Gefahr erkennen müssen. Eine Überlastungsanzeige eines Mitarbeiters, der die Unklarheit bemerkt hat (“Niemand fühlt sich verantwortlich für Bereich X, ich kann es nicht zusätzlich übernehmen”), kann hier Gold wert sein – sie dokumentiert das Problem und zwingt den Arbeitgeber zur Reaktion. Ohne eine solche Anzeige stünde der betreffende Mitarbeiter eventuell selbst in der Verantwortung, obwohl er formell nicht zuständig war, aber als einziger Kenntnis hatte.

Es ist Fremdfirmenmanagement ein Testfeld für die Wirksamkeit der Organisation. Überlastungsanzeigen fungieren als Prüfstein: Sie decken auf, wo personelle Engpässe oder organisatorische Lücken die Sicherheit gefährden. Insbesondere bei der gleichzeitigen Steuerung vieler Fremdfirmen darf Warnungen der koordinierenden Beschäftigten keinesfalls ignoriert werden. Arbeitgeberseitig sind ausreichende personelle Ressourcen und klare Regelungen die Antwort – notfalls muss man Aufträge verschieben oder zusätzliche Aufsicht einfordern, um Sicherheit vor Produktivität zu stellen. Geschieht dies nicht, sind die rechtlichen Folgen – von zivilrechtlicher Haftung bis Strafverfahren – im Schadensfall nahezu vorprogrammiert.

Form, Inhalt und Nachweisführung der Überlastungsanzeige:

Damit eine Überlastungsanzeige ihre präventive und exkulpierende Wirkung entfalten kann, muss sie richtig formuliert und dokumentiert werden. Zwar gibt es keine gesetzliche Formvorschrift – eine Anzeige kann auch mündlich erfolgen – doch aus Beweis- und Klarheitsgründen sollte sie immer schriftlich erstattet werden. In vielen Betrieben existieren bereits Muster oder Formulare für Gefährdungsanzeigen, die genutzt werden können. Dieser Abschnitt beschreibt die Anforderungen an Form und Inhalt sowie Best Practices zur Dokumentation.

Formale Anforderungen und Adressaten

Die Überlastungsanzeige ist in der Regel als schriftliches Dokument (Brief, E-Mail oder formgebundenes Meldeformular) an die vorgesetzte Stelle zu richten. Adressat sollte der unmittelbare Vorgesetzte sein, bei größeren Organisationen ggf. mit Kopie an die Arbeitsschutzabteilung oder Personalabteilung. In einigen Fällen wird auch der Betriebsrat informiert (teilweise verlangen Betriebsvereinbarungen, dass der Betriebsrat eine Kopie erhält, um das Thema verfolgen zu können). Wichtig ist, dass der Zugang der Anzeige beim Adressaten nachweisbar ist – etwa durch Übergabe gegen Empfangsbestätigung, Versand per E-Mail mit Lesebestätigung oder Einschreiben. Im Streitfall (z. B. vor Gericht) muss der Arbeitnehmer belegen können, dass und wann er die Überlastungsanzeige erstattet hat. Daher gehört zur Nachweisführung auch, dass man eine Kopie des Schreibens behält und den Empfang dokumentiert.

Offiziell sollte das Schreiben mit Datum, Betreff und Unterschrift versehen sein. Üblich ist der Betreff “Überlastungsanzeige” oder “Gefährdungsanzeige bezüglich Arbeitsüberlastung”. Dies signalisiert den formellen Charakter. Als Datum ist der Tag anzugeben, an dem die Überlastung festgestellt (bzw. als nicht mehr tolerierbar eingeschätzt) wurde – und natürlich das Datum des Schreibens selbst.

Inhaltliche Anforderungen: konkrete Schilderung und Gefahrenbezug

Inhaltlich muss eine Überlastungsanzeige konkret und sachlich die Situation beschreiben. Allgemeine Klagen wie “Ich habe zu viel Arbeit” genügen nicht. Es soll deutlich werden: Was genau ist die Überlastung, seit wann besteht sie, welche Aufgaben oder Umstände führen dazu, und vor allem welche Risiken erwachsen daraus für die Erfüllung der Arbeitspflichten.

Eine sinnvolle Gliederung des Inhalts kann sein:

  • Beschreibung der Überlastungssituation: Detaillierte Auflistung der Aufgaben, Projekte oder Verantwortungsbereiche, die der Mitarbeiter gleichzeitig stemmen muss. Hier sollten Zahlen, Fakten und Beispiele genannt werden (z. B. “Betreuung von 5 Baustellen gleichzeitig mit insgesamt 40 Fremdarbeitern” oder “zuständig für 3 Anlagenbereiche ohne Stellvertreter, jeweils mit erhöhtem Wartungsbedarf”). Auch die Lage (Abteilung, Standort) und der Zeitraum der Überlastung sind anzugeben (etwa “seit April 2025 anhaltend”, oder “insbesondere in den letzten 2 Wochen täglich 3 Überstunden”).

  • Ursachen der Überlastung: Darlegung, warum diese Situation entstanden ist – z. B. Personalmangel (unbesetzte Stellen, Krankheit von Kollegen), zusätzliche Aufgaben (z. B. neues Projekt, parallel laufende Revision), unzureichende Planung oder externe Faktoren. Diese Ursachenbeschreibung hilft dem Arbeitgeber, die Stellschrauben zu erkennen (Personal aufstocken, Prioritäten ändern etc.).

  • Konkrete Gefährdungen oder Qualitätsrisiken: Dies ist der Kern der Gefährdungsanzeige. Hier muss der Arbeitnehmer ausführen, welche Schäden drohen, wenn die Überlastung fortbesteht. Beispielsweise: “Ich kann nicht ausschließen, dass Sicherheitsprüfungen unterbleiben und es zu Unfällen kommt” oder “Aufgrund fehlender Einarbeitungszeit für neue Fremdfirmen besteht die Gefahr, dass diese gegen unsere Sicherheitsregeln verstoßen und verunglücken”. Im Pflegebereich war ein Beispiel: “Ich kann nicht ausschließen, dass Patienten in Krisen nicht erkannt werden und zu Schaden kommen”. Wichtig ist die Formulierung, dass trotz besten Bemühens die Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann – dies verdeutlicht, dass der Mitarbeiter nicht einfach verweigert, sondern an Grenzen stößt.

  • Bereits ergriffene Maßnahmen (falls zutreffend): Hat der Arbeitnehmer bereits versucht, durch Mehrarbeit, Umorganisation oder Ansprache bei Kollegen die Situation zu entschärfen, kann dies erwähnt werden. Z. B. “Bisher habe ich regelmäßig Überstunden gemacht und Priorisierungen vorgenommen, um die wichtigsten Sicherheitsrundgänge zu schaffen, aber nun ist eine Grenze erreicht”. Dadurch wird deutlich, dass die Anzeige nicht voreilig, sondern gut begründet ist.

  • Forderung oder Bitte: Am Ende sollte formuliert werden, was erwartet wird – nämlich Abhilfe. Etwa: “Ich bitte Sie, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Überlastung zu beseitigen. Insbesondere schlage ich vor: [z. B. zusätzliche Fachkraft einsetzen / Aufträge staffeln / Prioritäten neu festlegen].” Zwar muss der Arbeitnehmer nicht die Lösung parat haben, aber ein konstruktiver Hinweis wirkt immer besser als nur die Problemmitteilung. Wichtig ist auch der Hinweis, dass die Anzeige der eigenen Gesundheitsprävention und der Gefahrenabwehr dient.

Der Ton der Überlastungsanzeige sollte sachlich-nüchtern sein. Persönliche Vorwürfe oder Emotionen sind fehl am Platz; es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern um Gefahrenmeldung. In der Praxis hat es sich bewährt, Formulierungen wie “ich zeige hiermit an…”, “bitte betrachten Sie dies als Hinweis auf eine bestehende Gefährdung” zu verwenden. Begriffe wie “Gefährdung für… Sicherheit, Gesundheit, Qualität” signalisieren den Ernst der Lage. Wenn möglich, kann man sich auf einschlägige Vorschriften beziehen, z. B.: “Gemäß § 16 ArbSchG melde ich Ihnen hiermit die von mir festgestellte Gefahr…”. Dies unterstreicht die Rechtmäßigkeit und Pflichtgemäßheit der Anzeige.

Dokumentation und Nachweis: Exkulpationswirkung sicherstellen

Ist die Überlastungsanzeige verfasst und übergeben, sollte sie dokumentiert werden. Der Absender behält eine Kopie (Papier oder digital). Im Idealfall lässt man sich den Erhalt schriftlich bestätigen oder protokolliert zumindest Zeit, Ort und Umstände der Übergabe. Man kann – falls vorhanden – den Betriebsrat informieren, der dann ebenfalls ein Auge auf die Umsetzung der Maßnahmen hat.

Von großer Bedeutung ist die Aufbewahrung der Anzeige. Sie sollte so verwahrt werden, dass sie im Zweifel (auch noch nach Jahren) vorgelegt werden kann, etwa in einem Rechtsstreit um Haftung oder in einem Strafverfahren. Manche empfehlen, die Überlastungsanzeige in der Personalakte zu vermerken oder dort eine Kopie abzulegen – allerdings obliegt das dem Arbeitgeber, der dies nicht immer tun wird, gerade wenn er die Anzeige nicht ernst nimmt. Daher liegt die Verantwortung beim Arbeitnehmer, den eigenen Nachweis zu sichern.

Im Haftungsfall wirkt die Anzeige – wie oben ausgeführt – entlastend. Um diese Exkulpationswirkung voll auszuspielen, muss der Inhalt klar die Gefahren benennen. Eine allgemein gehaltene Klage ohne Hinweis auf drohende Schäden könnte vom Arbeitgeber später relativiert werden (“Sie haben ja nur um Unterstützung gebeten, aber keine Gefahr angezeigt”). Daher ist aus Beweisgründen die Erwähnung konkreter Gefahrmomente entscheidend. Nur dann lässt sich argumentieren, dass der Mitarbeiter gewarnt hat.

Zudem zeigt die Erfahrung: Eine gut dokumentierte Überlastungsanzeige kann auch präventiv intern wirken. Manche Arbeitgeber reagieren allein schon deshalb, weil ein schriftliches Dokument im Umlauf ist, das im Ernstfall Behörden oder Gerichte sehen könnten. Die schriftliche Form übt also einen gewissen “Druck” aus, das Problem anzugehen, während mündliche Klagen oft verhallen. Sollte der Arbeitgeber nicht reagieren, könnte der Arbeitnehmer in einem zweiten Schritt die zuständige Arbeitsschutzbehörde informieren (§ 17 Abs. 2 ArbSchG gewährt Beschwerderecht, wenn der Arbeitgeber einer Meldung nicht abhilft). All dies lässt sich aber nur einleiten, wenn die erste Anzeige sauber protokolliert ist.

Inhaltlich sollte die Anzeige keine unnötigen Angriffsflächen bieten. Unwahre Behauptungen oder Übertreibungen wären fatal, denn sie könnten im schlimmsten Fall eine Abmahnung oder Kündigung wegen Vortäuschens falscher Tatsachen rechtfertigen. Bleibt man bei belegbaren Fakten und ehrlicher Einschätzung, ist man auf der sicheren Seite. Sollte der Arbeitgeber die Lage anders einschätzen und behaupten, es liege keine Überlastung vor, steht Aussage gegen Aussage. Hier hilft es, wenn die Anzeige Zahlen und Daten enthält (z. B. Überstundenlisten, Aufgabenzahlen), die objektivierbar sind. Gegebenenfalls können Kollegen als Zeugen dienen, die die Überlastung bestätigen – jedoch sollte eine Überlastungsanzeige nach Möglichkeit individuell verfasst werden und nicht als “Protestschreiben” mehrerer ohne Absprache, da sonst schnell der Vorwurf einer Arbeitsverweigerung im Raum stehen könnte.

Abschließend sei betont, dass die Dokumentationspflichten nicht einseitig beim Arbeitnehmer liegen. Auch der Arbeitgeber hat gemäß § 3 ArbSchG und § 6 ArbSchG Pflichten zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung und der ergriffenen Arbeitsschutzmaßnahmen. Eine Überlastungsanzeige ist ein Indiz in der Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen. Streng genommen müsste der Arbeitgeber nach einer solchen Meldung seine Gefährdungsbeurteilung aktualisieren und die Dokumentation ergänzen (etwa: “Beschäftigter meldet Überlastung aufgrund X, Maßnahme Y ergriffen am …”). Unterlässt er dies, verstößt er wiederum gegen seine Dokumentationspflicht. In einem Prozess könnte dieser Umstand gewertet werden. Daher ist Arbeitgebern anzuraten, Überlastungsanzeigen auch formell in ihren Unterlagen zu vermerken – allein schon, um im Haftungsfall zeigen zu können, dass man reagiert hat.

Für den Arbeitnehmer gilt: Eine Überlastungsanzeige ist nur dann wirklich “scharf”, wenn sie auch nachweisbar ist. Sie bietet Schutz und kann im Zweifel die eigene Haftung abwenden. Aber nur, wenn man sie richtig einsetzt – schriftlich, konkret, belegbar und auf Gefahren gerichtet.

Praxisbeispiele aus der Industrie

Zur Veranschaulichung der vorstehenden Ausführungen sollen einige Praxisbeispiele beleuchtet werden, wie Überlastungssituationen rechtlich bewertet wurden oder bewertet werden könnten. Diese Beispiele zeigen typische Konstellationen in industriellen Betrieben und den Umgang der Rechtsprechung mit Überlastungsanzeigen.

Beispiel 1: Überlastung im Schichtbetrieb einer Industrieanlage

In einem Chemiebetrieb war ein Sicherheitsingenieur für die Nachtschichtbetreuung mehrerer Anlagenbereiche und gleichzeitig für die Einweisung neuer Fremdfirmen zuständig. Durch Personalabbau wurden seine Aufgaben immer umfangreicher, bis er schließlich an manchen Nächten allein für das gesamte Werk verantwortlich war. Eines Nachts kam es in Anlage A zu einem Beinahe-Unfall mit Gasaustritt, während er zeitgleich in Anlage B einen Kranauftragnehmer betreute. Der Ingenieur hatte zuvor mehrfach mündlich gegenüber seinem Vorgesetzten auf die Unmöglichkeit hingewiesen, zwei entfernte Bereiche parallel zu überwachen, aber keine schriftliche Überlastungsanzeige erstellt. Nach dem Vorfall wurde er von der Betriebsleitung gerügt. Hätte es Verletzte gegeben, wäre er potentiell in die Haftung geraten. Rechtliche Bewertung: Aus Sicht der Haftung hätte der Ingenieur spätestens nach den ersten Warnsignalen eine schriftliche Gefährdungsanzeige erstatten müssen, um seinen Pflichten aus § 16 ArbSchG gerecht zu werden. Das Unternehmen trug zwar die Hauptverantwortung (Organisationsverschulden durch Personalknappheit), aber der Ingenieur befand sich als garant für die Nachtschichtsicherheit in der Schusslinie. Im Nachhinein wurde im Betrieb eingeführt, dass bei Abwesenheit einer zweiten Fachkraft bestimmte Hochrisiko-Arbeiten (wie Kran- oder Gasarbeiten) gar nicht erst stattfinden dürfen – eine organisatorische Konsequenz, die wohl früher gezogen worden wäre, wenn eine formale Überlastungsanzeige existiert hätte.

Beispiel 2: Gefährdungsanzeige in der Wartungsabteilung (ArbG Göttingen 2017)

Ein bekannt gewordener Fall betrifft eine Pflegeeinrichtung, lässt sich aber auf die Industrie übertragen: Eine Pflegekraft schrieb eine Gefährdungsanzeige, weil sie an einem Tag alleine mit zwei Auszubildenden eine Station betreuen sollte, die Personaldecke also akut unzureichend war. Sie begründete, sie könne nicht ausschließen, dass Patienten ungesehen in Krisen geraten und Schaden nehmen. Der Arbeitgeber reagierte mit einer Abmahnung, da er die Einschätzung der Pflegekraft nicht teilte und meinte, dies gehöre zu ihren Aufgaben. Das Arbeitsgericht Göttingen (Az. 2 Ca 155/17) gab jedoch der Arbeitnehmerin Recht: Die Abmahnung war zu Unrecht erteilt und musste aus der Personalakte entfernt werden. Das Gericht stellte klar, dass die Mitarbeiterin mit der Gefährdungsanzeige ihre Pflichten erfüllt und gerade nicht verletzt hat. Maßgeblich sei die subjektive Gefahrenprognose der Fachkraft gewesen – sie habe aus ihrer Perspektive eine erhebliche Gefahr gesehen, was zur Meldung berechtigte und verpflichtet. Übertragen auf ein Industriebeispiel bedeutet dies: Wenn eine technischer Mitarbeiter*in etwa meldet, dass aufgrund Arbeitsverdichtung Wartungsvorschriften nicht eingehalten werden können (Gefahr von Maschinenausfällen oder Unfällen), darf der Arbeitgeber diese Meldung nicht sanktionieren. Tut er es doch, wird eine solche Maßnahme vor Gericht keinen Bestand haben, da der/die Beschäftigte im Einklang mit ArbSchG § 16 gehandelt hat. Der Fall zeigt auch, wie wichtig die richtige Argumentation in der Anzeige ist – die Pflegekraft hatte konkret auf das Patientenwohl (in der Industrie: Anlagensicherheit, Arbeitnehmersicherheit) abgestellt.

Beispiel 3: Fremdfirmenkoordinator in der Bauindustrie

Ein Bauunternehmen führte auf dem Gelände eines Kraftwerks mehrere parallele Projekte mit Subunternehmern durch. Der hauptverantwortliche Bauleiter des Kraftwerksbetreibers fungierte zugleich als Koordinator für Arbeitsschutz für alle Fremdfirmen. In Spitzenzeiten beaufsichtigte er bis zu 80 externe Arbeiter in verschiedenen Gebäudeteilen. Obwohl er 12-Stunden-Tage machte, konnte er oft nur stichprobenartig kontrollieren. In der Folge kam es zu Verstößen: Eine Fremdfirma entfernte eigenmächtig eine Absperrung, was beinahe zu einem Absturz führte; in einem anderen Bereich arbeiteten Arbeiter ohne Helm. Der Koordinator informierte die Fremdfirmen mündlich über die Probleme, sah sich aber außerstande, überall gleichzeitig zu sein. Schließlich verfasste er eine Überlastungsanzeige an die Projektleitung, in der er detailliert auflistete, welche Bereiche unüberwacht blieben und dass er die Gewähr für die Einhaltung der Sicherheitsregeln nicht mehr übernehmen könne. Die Projektleitung reagierte, indem sie einen zweiten Koordinator abstellte und die Arbeitszeiten entzerrte. Rechtliche Bewertung: Dieser Fall wird als Positivbeispiel gesehen. Durch die Anzeige wurde ein offensichtliches Organisationsrisiko erkannt und behoben. Wäre hingegen ein Unfall passiert, bevor die Anzeige erfolgte, hätte man den Koordinator fragen müssen, warum er nicht alarm geschlagen hat – denn die Gefahren waren vorhersehbar. So aber konnte der Koordinator im Ernstfall auf seine schriftliche Warnung verweisen, die eine deutliche Exkulpation bedeutet hätte. Zudem erfüllte der Kraftwerksbetreiber mit der Korrektur seine Pflicht zur Zusammenarbeit und Aufsicht im Sinne der DGUV V1 und ArbSchG, sodass eine mögliche Haftung reduziert wurde.

Beispiel 4: Produktionsdruck versus Arbeitsschutz

In einem Lebensmittelbetrieb kam es wiederholt zu Überstunden und Arbeitsverdichtung, um Liefertermine einzuhalten. Der Schichtleiter war dafür bekannt, Sicherheitsprozeduren zu beschleunigen (z. B. Maschinenreinigungen zu überspringen), um die Quote zu erfüllen. Die Techniker in der Schicht fühlten sich unwohl, weil die Maschinen ohne ausreichende Wartung betrieben wurden. Einer der Techniker schrieb schließlich eine Überlastungs-/Gefährdungsanzeige, worin er die Geschäftsleitung darauf hinwies, dass die ständige Überschreitung der Normalarbeitszeit und das Auslassen von Checks zu einem erhöhten Unfall- und Ausfallrisiko führe. Der Schichtleiter war darüber verärgert, die Geschäftsleitung jedoch schätzte den Hinweis und erhöhte die Personalkapazität geringfügig. Rechtliche Würdigung: Dieser Fall zeigt, dass Überlastungsanzeigen nicht auf klassische “Gefahrenberufe” beschränkt sind, sondern auch im allgemeinen Produktionsumfeld Relevanz haben. Die Anzeige zielte hier sowohl auf den Schutz der Arbeitnehmergesundheit (Übermüdung, Stress) als auch auf Qualität und Maschinensicherheit ab – beides legitime Inhalte einer Gefährdungsanzeige. Hätte die Geschäftsleitung stattdessen mit einer Abmahnung reagiert, wäre dies – in Analogie zum oben genannten Urteil – unwirksam gewesen. Positiv hervorzuheben ist, dass der Hinweis präventiv angenommen wurde. Der Fall verdeutlicht, dass eine Überlastungsanzeige auch betriebswirtschaftlichen Nutzen haben kann: Indem Ausfälle durch überlastungsbedingte Fehler vermieden werden, profitieren letztlich alle Seiten.